Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern

Ein Überblick der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht der letzten Jahre

Michael Krekels
DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte
Vorstandsvorsitzender
Geschäftsführer DFK – Kompetenz GmbH
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Des Deutschen ist sein Urlaubsanspruch heilig kann man meinen, wenn man sich die Rechtsprechungsübersicht zum Thema Urlaubsanspruch beim Bundesarbeitsgericht der letzten Jahre anschaut. Kein anderes Thema ist häufiger Gegenstand von Entscheidungen der höchsten Gericht in Deutschland oder der EU. Allein im letzten Jahr hatte das Bundesarbeitsgericht eine Reihe neuer Entscheidungen zu dem Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern getroffen und eine Reihe von Vorabentscheidungsanfragen an den Europäischen Gerichtshof gestellt.

  1. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2019 – Aktenzeichen: 9 AZR 541/15
    Nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ist es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Die Vorschrift zwingt den Arbeitgeber damit zwar nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren, allerdings obliegt ihm unter Beachtung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitzeitrichtlinie) die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Arbeitgeber gehalten, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“. Der Arbeitgeber hat klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt. Geschieht dies nicht, kann der Urlaubsanspruch nicht verfallen.
  2. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.08.2022 Aktenzeichen: 9 AZR 76/22
    Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet, um die Frage klären zu lassen, ob aus dem Unionsrecht die Verpflichtung des Arbeitgebers abzuleiten ist, einem Arbeitnehmer bezahlten Erholungsurlaub nachzugewähren, der zwar während des Urlaubs selbst nicht erkrankt ist, in dieser Zeit aber eine behördlich angeordnete häusliche Quarantäne einzuhalten hatte.
  3. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.07.2020 Aktenzeichen 9 AZR 401/19
    Dem Europäischen Gerichtshof wird die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob gesetzliche Urlaubs-ansprüche im Falle einer dauerhaften Erkrankung des Arbeitnehmers auch dann 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres verfallen, wenn es an der Mitwirkung des Arbeitgebers zur tatsächlichen Inanspruchnahme des Urlaubs gefehlt hat.
  4. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.11.2021 Aktenzeichen 9 AZR 234/21
    Fallen aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig aus, ist dies bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen.
    Bei der vertraglichen Dreitagewoche der Klägerin errechnete sich zunächst ein Jahresurlaub von 14 Arbeitstagen (28 Werktage x 156 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage). Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertigte eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen. Der Urlaubsanspruch der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2020 übersteigt deshalb nicht die von der Beklagten berechneten 11,5 Arbeitstage. Allein bei Zugrundelegung der drei Monate, in denen die Arbeit vollständig ausgefallen ist, hätte die Klägerin lediglich einen Urlaubsanspruch von 10,5 Arbeitstagen (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage).
  5. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.11.2021 Aktenzeichen 9 AZR 143,21
    Zusatzurlaub verfällt, wenn die Schwerbehinderung nicht bekannt war.
    Eine Schwerbehinderung ist dem Arbeitgeber mitzuteilen, wenn der Arbeitnehmer den Zusatzurlaub auf Grund der Schwerbehinderung nehmen möchte.
  6. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 12.10.2021 Aktenzeichen 9 AZR 577/20
    Dem Europäischen Gerichtshof wird die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob der in der Arbeitsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erworbene, bisher nicht erfüllte Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub in der Freistellungsphase mit Ablauf des Urlaubsjahres oder zu einem späteren Zeitpunkt erlischt bzw. verfällt.
  7. Bundesarbeitsgericht Beschluss vom 29.09.2020 Aktenzeichen 9 AZR 266/20
    Für den Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts ist es entscheidungserheblich, ob die nicht erfüllten Urlaubsansprüche eines Arbeitnehmers bei Klageerhebung bereits verjähren konnten. Die Urlaubsansprüche konnten nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Bei unionsrechtskonformer Auslegung dieser Vorschrift erlischt der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann (vgl. dazu Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 9 vom 19. Februar 2019). Diese Obliegenheiten hat der Beklagte nicht erfüllt.
    Vor diesem Hintergrund hat der Senat den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung über die Frage ersucht, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht bereits nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen konnte, gemäß § 194 Abs. 1, § 195 BGB der Verjährung unterliegt.
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