Demenz – Risiken und Chancen für Unternehmen

RG Nordbayern im Gedankenaustausch v.l.n.r.:
Michael Schneider, Hans­Dieter Mückschel, Prof. Dr. Franz Janecek, Christian Sachslehner

Zu einem Gedankenaustausch über das kaum beachtete, aber zunehmend wichtige Thema „Demenz in Unternehmen“ trafen sich in der Regionalgruppe Nordbayern Mitglieder des Regionalgruppenvorstands mit dem Geschäftsführer der Angehörigenberatung e.V. Nürnberg, Hans-Dieter Mückschel. Da diese ­Erkrankung in unserer Gesellschaft noch weitgehend tabuisiert ist, liegen hier ungenutzte Handlungsfelder für Unternehmen vor.

Das Thema „Demenz“ ist uns allen geläufig, insbesondere ihre Ausprägung in Form der Alzheimer-Krankheit. Mancher kennt auch Betroffene in seinem Familien- oder Bekanntenkreis und weiß von der dramatischen Situation, die mit dieser Erkrankung einhergeht.

In der Regel handelt es sich bei den Patienten um betagte Menschen. Aber auch Berufs­tätige können von diesem schleichenden Verlust mentaler Fähigkeiten betroffen sein, selten in jüngeren Jahren, häufiger sicher in der letzten Phase der aktiven Berufstätigkeit. In der Arbeitswelt werden bei steigendem Altersdurchschnitt in der Belegschaft die Konflikte zunehmen, die unerkannt oder offensichtlich auf eine Demenzerkrankung zurückzuführen sind. Dazu kommt, dass ­Altersforscher dazu raten, möglichst lange aktiv einer – auch beruflichen – Beschäftigung nachzugehen, um ein gesundes und erfülltes Leben genießen zu können.

Demenz ist ein Tabuthema

Da Demenz in unserer Gesellschaft weitgehend tabuisiert ist und es sich auch um keine meldepflichtige Erkrankung handelt, existiert kaum eine offene Kommunikation. Die Personalverantwortlichen in den Betrieben haben wenig spezifische Erfahrungen und können arbeitsrechtlich den Schwankungen in den erwartbaren Leistungen von Angestellten nur schwer begegnen, die scheinbar mit dieser Krankheit zusammenhängen könnten.

Die Problematik für Unternehmen kommt aus zwei Richtungen: Einerseits können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Arbeitsprozess aufgrund dieser Erkrankung ihrer Verantwortung nicht mehr ausreichend gerecht werden. Das mag bei manchen Arbeitsplätzen weniger dramatisch sein, da die Reichweite von Fehlleistungen gering ist. Bei Stelleninhabern in sicherheitsrelevanten Bereichen oder bei Entscheidungsträgern in hohen Positionen kann es für das Überleben des Unternehmens aber auch gefährlich werden. Andererseits gibt es deutliche statistische Hinweise aus der Gesundheitsbranche auf die Existenz von Angehörigen, die in ihrem familiären Umfeld demenzerkrankte Fami­lienmitglieder betreuen müssen. Rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland sind demenzkrank. Berücksichtigt man deren Angehörige, die in der Regel jünger sind, kommt man auf zwei bis drei Millionen betreuende und berufstätige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dieser Personenkreis ist zum Teil extremen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Sie pflegen ihre ­demenzkranken Eltern oder Verwandten neben ihrer anstrengenden Berufstätigkeit und müssen über Jahre mit der körperlichen und seelischen Belastung oft alleine zurechtkommen. Es liegt auf der Hand, dass sich ­diese Situation bei den heute hohen beruf­lichen Anforderungen auf ihre Leistungs­fähigkeit ­negativ auswirkt.

Hier könnten sich Chancen für Unternehmen ergeben, die ihren Angestellten einen attraktiven Arbeitsplatz bieten wollen, Fachkräfte anwerben müssen und seltene Spitzenkräfte auf dem Markt suchen und an das Unternehmen binden wollen. Ist die Unterbringung der Kinder von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Betriebskindergarten oft schon selbstverständlich, fehlt für die arbeitszeitbegleitende Unterbringung von demenz­-kranken Angehörigen in unternehmens­eigenen Betreuungseinrichtungen bisher jeglicher Ansatz. Kaum gibt es firmeninterne Arbeitskreise oder Beratungsstellen für pflegende Angehörige. Oft scheuen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch, ihre Belastungen offenzulegen. Die intensiv diskutierte Inklusion umfasst bisher Demenzerkrankte kaum.

Laut Einschätzung von Mückschel sind diese Probleme von pflegenden Angehörigen mit Berufstätigkeit keinesfalls seltene Ausnahmen. Diese dramatischen Lebensumstände wurden in Deutschland bisher kaum thematisiert. In Nürnberg kümmert er sich mit seinem Team seit fast 30 Jahren um Demenzberatung und Hilfe für pflegende Angehörige. Seit einiger Zeit wird er zunehmend auch von Firmen und Behörden angefragt, die sich für die Thematik der Mitarbeiterberatung bei Demenz interessieren und sich insgesamt zum Thema Demenz sensibilisieren lassen wollen. Entlastungs- und Unterstützungsleistungen für pflegende Mitarbeiter sowie das Wissen über finanzielle Hilfen wie zum Beispiel das neue Pflegestärkungsgesetz mit den Möglichkeiten des Pflegezeitgesetzes gewinnen in unserer künftigen Arbeitswelt deutlich an Bedeutung und müssen in der Personal- und Mitarbeiterführung mitbedacht werden. Eine kooperative Zusammenarbeit mit Beratungs- und Selbsthilfeverbänden wie den „Fachstellen für pflegende Angehörige“ in Bayern oder den regionalen Alzheimer-Gesellschaften kann hier ein erster sinnvoller Schritt für die Unternehmen sein.

Kontakt:
www.angehoerigenberatung-nuernberg.de

Hans-Dieter Mückschel ist Geschäftsführer der Angehörigenberatung e.?V. Nürnberg, Fachstelle für pflegende Angehörige und Demenzberatung.

Bildquelle: © DIE FÜHRUNGSKRÄFTE – DFK

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