von Dr. Heike Kroll, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
Prokurist:in zu sein oder zu werden, stellt einen wichtigen Karriereschritt dar. Was genau bedeutet Prokura aber konkret und vor allem welche Auswirkungen hat die Prokura auf das Arbeitsverhältnis?

Prokura ist eine Vollmacht
Prokurist:innen sind zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen ermächtigt, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Einzig die Veräußerung und Belastung von Grundstücken sind nur möglich, wenn diese Befugnis gesondert erteilt wurde (§ 49 HGB).
Ausschließlich der Inhaber des Handelsgeschäftes oder sein gesetzlicher Vertreter können mittels ausdrücklicher Erklärung Prokura erteilen, die dann in das Handelsregister eingetragen wird.
Eintragung im Handelsregister ist deklaratorisch
Ebenso wie bei der Bestellung einer Geschäftsführer:in kommt es für die Wirksamkeit der Prokura auf den Zeitpunkt der Erteilung an; die Eintragung ins Handelsregister wirkt nur deklaratorisch. Die eigentliche Rechtswirkung erfolgt damit vor dem Eintragungsakt. Die Eintragung im Handelsregister „bezeugt“ letztendlich die (bereits) bestehende Prokura lediglich.
Prokurist:innen bleiben Arbeitnehmer:innen. Im Unterschied dazu verliert ein Mitarbeitender, der zur/zum Geschäftsführer:in bestellt wird, regelmäßig seinen Arbeitnehmerstatus. Die/der Geschäftsführer:in wird Organ der Gesellschaft; Arbeitnehmerrechte (wie vor allem das Kündigungsschutzgesetz) finden auf sie dann keine Anwendung (mehr).
Prokurist:innen bleiben Arbeitnehmer:innen.
Prokurist:innen sind häufig leitende Angestellte
Auch wenn Prokura den Arbeitnehmerstatus nicht ändert, sind Prokurist:innen nicht selten – zumindest im Mittelstand – „echte“ Leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) und/oder im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Die beiden Gesetze geben dabei unterschiedliche Voraussetzungen vor.

Leitende Angestellte im Betriebsverfassungsgesetz
So findet das Betriebsverfassungsgesetz auf leitende Angestellte überwiegend keine Anwendung. Das Betriebsverfassungsgesetz definiert den leitenden Angestellten dabei wie folgt:
Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Ziffer 2 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb
- …
- Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
- …
Ob der/die betreffende Prokurist:in tatsächlich leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist, hängt davon ab, ob die mit einer Prokura verbundenen Befugnisse in der täglichen Praxis tatsächlich gelebt werden. So genannte „Titular“-Prokurist:innen, also Pro-kurist:innen, die keinerlei eigene Entscheidungsbefugnisse haben, sondern im Grunde nur „Titel-Träger“ sind, sind keine „echten“ leitenden Angestellten nach Ziffer 2.
Demnach findet das Betriebsverfassungsgesetz auf „echte“ Prokuristen:innen keine Anwendung: Es gelten für das Arbeitsverhältnis z. B. weder Betriebsvereinbarungen noch muss der Betriebsrat vor einer Kündigung angehört werden. Hat das Unternehmen jedoch einen Sprecherausschuss (das ist ein Vertretungsgremium der Leitenden Angestellten im Betrieb nach Maßgabe des Sprecheraus-schussgesetzes), so wäre dieser zu beteiligen.
Leitende Angestellte im Kündigungsschutzgesetz
Prokurist:innen genießen grundsätzlich Kündigungsschutz, d.h., die Kündigung des Arbeitsvertrages bedarf eines Grundes. Die nicht selten zu hörende Aussage, dass der leitende Angestellte keinen Kündigungsschutz genießt, ist nicht korrekt. In § 14 Abs. 2 KSchG heißt es dazu:
Prokurist:innen genießen grundsätzlich Kündigungsschutz, d.h., die Kündigung des Arbeitsvertrages bedarf eines Grundes.
Auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme des § 3 Anwendung. § 9 Abs. 1 Satz 2 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.
Prokust:innen sind nicht gesondert aufgeführt. Daher muss der Prokurist erst einmal die „Prüfung“ nach dem Betriebsverfassungsgesetz bestehen und die entsprechenden Anforderungen erfüllen, damit er überhaupt als leitender Angestellter gilt.
Damit dann noch die genannte Einschränkung des Kündigungsschutzes greift, muss der leitende Angestellte zur selbständigen Einstellung oder (also alternativ!) Entlassung befugt sein. Im Unterschied zu einem Nichtleitenden bedarf dann ein genannter Auflösungsantrag, den man im Rahmen eines Kündigungsschutzverfah-rens stellen kann, keiner Begründung.
Der Auflösungsantrag (vgl. dazu § 9 Kündigungsschutz-gesetz), den bei einer ordentlichen Kündigung sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber stellen kann, ist eine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses trotz einer unwirksamen Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung zu beenden. Bei einem nichtleitenden Angestellten muss ein solcher Antrag begründet werden. Bei einem leitenden Angestellten hingegen wird aufgrund der besonderen Stellung im Unternehmen dessen Schutzbedürftigkeit nicht gesehen. Die begründungslose Beendigung soll durch die vom Gericht in diesem Fall festzusetzende Abfindung aufgewogen werden.
Bei einem leitenden Angestellten wird aufgrund der besonderen Stellung im Unternehmen dessen Schutzbedürftigkeit nicht gesehen.
Prokurist:innen haften wie Arbeitnehmer:innen
Da die/der Prokurist:in Arbeitnehmer:in bleibt, haftet sie/er auch grundsätzlich (nur) wie ein Arbeitnehmer. Im Arbeitsverhältnis gelten so genannte Haftungserleichterungen: So haftet ein Arbeitnehmer im Falle leichter Fahrlässigkeit nicht, bei mittlerer Fahrlässigkeit haftet er nur anteilig und erst bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz voll.
Auch wenn die Prokura im Außenverhältnis zu einer fast (s. o.) unbeschränkten Vertretungsbefugnis führt, ist jeder naturgemäß gut beraten, etwaige Beschränkungen der Vollmacht im Innenverhältnis (z. B. auf bestimmte Art von Geschäften oder Wertgrenzen) einzuhalten.
Bei der Haftung kommt es fast immer auf den Einzelfall an, zumal auch die Abgrenzung der verschiedenen Fahrlässigkeitsstufen schwierig sein kann. Vorsicht ist vor allem immer dann angebracht, wenn die/der Prokurist:in faktisch die Geschäftsführung ausübt, da hier unter Umständen auch eine vollumfängliche Haftung des Prokuristen in Betracht kommt.
Prokuristen:innen vielfach auch durch D&O-Versiche-rung abgesichert
Viele Unternehmen verfügen über eine D&O-Versiche-rung. Dabei handelt es sich um eine spezielle Managerversicherung, die bei Schäden, die durch Handlungen der versicherten Personen ausgeübt werden, eintrittspflichtig wird. Es ist durchaus üblich, dass im Rahmen einer solchen Versicherung nicht nur die Organe der Gesellschaft (Geschäftsführende oder Vorstände) abgesichert sind, sondern auch Prokuristen und andere Führungskräfte der oberen Ebene. Das senkt das Risiko, persönlich in Anspruch genommen zu werden, noch einmal deutlich. Bitte erkunden Sie sich daher beim Unternehmen nach dem Bestehen einer solchen Versicherung und lassen sich am besten die Versicherungspolice aushändigen.
Viele Unternehmen verfügen über eine D&O-Versicherung.
Berücksichtigen sollte man jedoch, dass eine Versicherung nur Vermögensschäden ausgleichen kann. Eine etwaige strafrechtliche Verantwortlichkeit bleibt immer persönlich. Eine Versicherung kann hier nur bei der Rechtsverteidigung Unterstützung leisten.
Ende der Prokura
Eine erteilte Prokura endet mit der Beendigung des der Bestellung zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses. Auch gesellschaftsrechtliche Veränderungen führen zu ihrer Beendigung. Überwiegend wird auch das Recht des Prokuristen zugestanden, die Prokura niederzulegen.
Die Prokura kann zudem durch den Geschäftsinhaber widerrufen werden. Dazu bedarf es weder einer Begründung noch löst der Entzug der Prokura einen Schadensersatzanspruch aus.
Die Prokura kann zudem durch den Geschäftsinhaber widerrufen werden. Dazu bedarf es weder einer Begründung noch löst der Entzug der Prokura einen Schadensersatzanspruch aus. Das gilt selbst dann, wenn im Arbeitsvertrag ausdrücklich geregelt ist, dass dem Mitarbeitenden Prokura erteilt wird. Der Mitarbeitende kann jedoch bei einem solchen Prokuraentzug u. U. zur außerordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses berechtigt sein.
Haben Sie dazu noch Fragen? Die Jurist:innen des DFK unterstützen Sie gerne.