Schon seit vielen Jahren verändert der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) die Arbeitswelt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Soziales (BMWi) hat bei seiner letzten entsprechenden Umfrage zu diesem Thema im Jahr 2019 festgestellt, dass rund 17.500 Unternehmen im Berichtskreis der Innovationserhebung (produzierendes Gewerbe und überwiegend unternehmensorientierte Dienstleistungen) KI in Produkten, Dienstleistungen oder internen Prozessen eingesetzt haben bzw. einsetzen. Zwischen 2019 und 2022 wird die Zahl eher gestiegen als gesunken sein. Die Arbeitswelt wird langsam, aber sicher durch den Einsatz von KI zunehmend beeinflusst, indem es zu einer dynamischen Neugestaltung der Arbeitsteilung zwischen Mensch und Technik kommt. Künstliche Intelligenz verändert also bereits die Arbeitswelt.
Am häufigsten verwenden Unternehmen, die bereits KI nutzen, die entsprechenden Technologien für personalisierte Werbung (71 %). 64 % nutzen KI zur Verbesserung interner Abläufe in der Produktion und Instandhaltung, 63 % im Kundendienst, etwa bei der automatisierten Beantwortung von Anfragen. Rund jedes zweite Unternehmen setzt KI bei der Analyse des Kundenverhaltens im Vertrieb (53 %) oder bereichsübergreifend bei Texten wie Berichten oder Übersetzungen (50 %) ein. In der Buchhaltung nutzen 44 % KI, etwa für automatisierte Buchungen, 43 % setzen auf KI zur Managementunterstützung, etwa bei der Entwicklung von Strategien. (Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, „Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Deutschen Wirtschaft)
Seit jeher unterliegt Führung dem Wandel. Jede industrielle Revolution hat auch zur Veränderung im Führungsverhalten, im Führungsstil geführt. Hierarchische Führung hat sich zur partizipativen Führung gewandelt, Führungskräfte sind mittlerweile mehr Coachinnen und Coaches anstatt Vorgesetzte.
Führungskräfte können durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz in ihrem Führungsalltag z. B. wiederkehrende standardisierbare Aufgaben an das System abgeben und die Automatisierung von Prozessen wie das Erstellen von Einsatzplänen, die Zuteilung von bestimmten Aufgaben und Projekten oder die Kontrolle des Budgets nutzen.
Ebenso können große Mengen von Betriebsdaten ausgewertet werden, um sie schließlich bei strategischen Entscheidungen hinzuzuziehen. Bei entsprechender Anwendung kann ein System auch drohende Belastungen mit der Folge von Burnouts vorhersagen. Die Vielzahl dieser Möglichkeiten, die der Einsatz von KI bietet, ist in der Lage, Führungskräfte zu entlasten. Konträr dazu erhöht sich auch das Risiko, dass die Führungskraft von den eigentlichen Kernaufgaben abgelenkt wird, indem sich der Fokus auf die Anwendungsgebiete der KI richtet und sich die Führungskraft damit der persönlichen Ebene der Führung entfernt. Segen und Fluch liegen nah beieinander.
Die Vorteile, die die Vernetzung von Führung unter Einbeziehung von künstlicher Intelligenz bieten, ergeben sich daher nicht von alleine. Im Vorfeld muss die Führungskraft sicherstellen, dass die Mittel, die sie zur Entlastung einsetzt, auch wirklich diesem Zweck dienen und nicht an anderer Stelle eine Belastung erzeugen.
Es steht also außer Frage, dass künstliche Intelligenz Führungskräfte bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen können. Die lernenden Systeme werden aber die Rolle der Führungskräfte weiter verändern, ebenso wie auch deren Aufgaben.
Geht diese Unterstützung aber (zukünftig) so weit, dass diese lernenden Systeme die gesamten Aufgaben von Führungskräften (irgendwann) übernehmen und die Notwendigkeit von Führungskräften damit ablösen?
Künstliche Intelligenz wird bereits seit den 1950er-Jahren in Unternehmen eingesetzt und entwickelt sich immer weiter. Seitdem KI auch in der Führung eingesetzt wird, wird dies von Skepsis, Besorgnis und vielleicht auch Angst begleitet. Inwiefern kann die Fairness gewahrt werden, wenn ein datenbasiertes System Entscheidungen trifft? Kann ein lernendes System entscheiden, ob z. B. die Auswahl einer Bewerberin oder eines Bewerbers wirklich fair und frei von Vorurteilen erfolgt ist, wenn das Grundprogramm z. B. männliche Kandidaten als vorzugswürdiger ansieht? Setzt der Algorithmus nicht nur das um, was ihm als Programm vorgegeben wurde, oder lernt das Programm Fairness, Offenheit, den diskriminierungsfreien Umgang?
Wie sieht es mit der Transparenz von Entscheidungen aus? Kann von dritter Seite überhaupt nachvollzogen werden, warum die entsprechende Entscheidung getroffen wurde? Transparenz von Entscheidungen ist wichtig für deren Akzeptanz.
Oder der Datenschutz! Ist es gewährleistet, dass sich die künstliche Intelligenz, die eingesetzt wird, nicht (unbemerkt) mit anderen lernenden Systemen (im Hintergrund) austauscht und vernetzt und so schützenswerte Daten weitergibt? Skepsis und Vorsicht sind angebracht. Angst jedoch nicht.
Sollten die lernenden Systeme aber bereits so weit entwickelt sein, besteht dann nicht die berechtigte Sorge von Führungskräften, ob durch die Verwendung von künstlicher Intelligenz in der Führung nicht die eigene Zukunft verbaut wird?
An dieser Stelle sei auf die Podiumsdiskussion im Meistersaal in Berlin anlässlich des 100. Geburtstages des DFK verwiesen. Am 14. November 2019 diskutierten Dr. Irina Kummert, die Präsidentin des Ethikverbandes der Deutschen Wirtschaft e.V., Dr. Danyal Bayaz (damals MdB und heute Finanzminister von Baden-Württemberg (BÜNDNIS 90/Die Grünen), Thomas Jar-zombek (MdB, CDU) und Cornelius Fischer (Deutsche Bahn AG) mit Dr. Inga Michler von der Welt über die Auswirkungen von Digitalisierung und KI auf das moderne Führungsbild.
Die veränderte Rolle der Führungskraft ist ihre Rettung für die Zukunft!
Noch vor einigen Jahren wurde die Führungskraft im Unternehmen als die „höchste Instanz“ wahrgenommen, die alleinige Entscheidungen getroffen hat und diese vom Team hat umsetzen lassen. Sie war Autoritätsperson, aber bestimmt kein Vorbild. Mittlerweile hat sich die Rolle eher dahingehend verstärkt.
Bei richtiger Vorprogrammierung wird die KI, die ständig hinzulernt, in der Lage sein, strategische Entscheidungen zu treffen.
Von der modernen Führungskraft wird aber auch die Fähigkeit zur Empathie erwartet. Eine Eigenschaft, zu der ein Rechenprogramm (zumindest aktuell) nicht in der Lage ist. Als Beispiel sei der Beginn der Pandemie genannt. Die Notwendigkeit, das Team von den Arbeitsplätzen im Unternehmen ins Homeoffice zu schicken, hätte die richtig eingesetzte KI sicherlich ebenfalls erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Es mag aber bezweifelt werden, dass die künstliche Intelligenz sich mit den Sorgen und Ängsten der Mitarbeitenden hätte auseinandersetzen können, diesen Personen Trost spenden oder die Ängste vor den Folgen einer Corona-Infektion (die gerade im März 2020 überhaupt nicht absehbar waren) nehmen. Künstliche Intelligenz hätte vielleicht Desinfektionsmittel und „Spukschutz-wände“ bestellt, aber die Entscheidung begründet hätte das System nicht. Führungskräfte, die ebenso von der Pandemie und ihrer Unberechenbarkeit betroffen waren und noch sind, konnten menschlich reagieren. Sie konnten zuhören, erklären und reagieren.
KI kann (noch) nicht in der Art und Weise mit den Mitarbeitenden kommunizieren, wie es von einer Führungskraft erwartet wird. Chatbots, also textbasierte Dialogsysteme, die das Chatten und teilweise auch schon Gespräche mit einem technischen System ermöglichen, sind schon sehr weit fortgeschritten. Mimiken und Gesten von Menschen werden sie aber (noch) nicht erkennen können, ebenso werden sie nicht „zwischen den Zeilen“ lesen können. Des Weiteren werden viele Mitarbeitende nicht unbedingt einer Maschine ihre Sorgen anvertrauen wollen.
Darüber hinaus ist die Aufgabe der Kommunikation mit den Beschäftigten auch das Vorleben der entwickelten Vision sowie der damit verbundenen Strategie. Wie bereits gesagt, bedürfen viele Entscheidungen der Akzeptanz durch Team, Kunden, Gremien oder Mitglieder. Eine menschliche Führungskraft wird diese Akzeptanz besser erreichen können.
Nicht zuletzt sind Führungskräfte zunehmend gefordert, die Beschäftigten bei ihrer Entwicklung zu begleiten, sie dahingehend zu coachen, Mentorin*in zu sein. Auch hier werden sich Menschen eher Menschen anvertrauen.
Die eminenten Innovationssprünge und disruptiven Veränderungen im Führungsbereich haben sich seit Beginn der Pandemie rasant entwickelt. Noch nie waren Führungskräfte so gefragt wie heute und haben unter Beweis gestellt, dass sie mit menschlicher und nicht künstlicher Intelligenz punkten konnten.
Doch auch die Entwicklung der künstlichen Intelligenz schreitet mit schnellen Schritten voran. Vielleicht müssen Teile dieses Artikels in einigen Jahren umgeschrieben werden.
Solange Führungskräfte aber permanent an ihren Schlüsselkompetenzen arbeiten, die sich in einem entsprechenden Führungsverständnis ausdrücken, werden sie immer wichtig für ein Unternehmen bleiben.
Führung und KI lassen sich gut ergänzen, wenn die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Nils Schmidt
Über den Autor
Nils Schmidt ist einer von zwei Vorständen des DFK. Er ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht mit den Schwerpunkten im Sprecherausschuss-recht sowie bei Führungsthemen. Im DFK ist Nils Schmidt u.a. zuständig für das Verbandsmagazin, die Politik und Social Media. Darüber hinaus ist er Geschäftsführer der DFK-Kompetenz GmbH