Die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zur Doppelbesteuerung von Renten

Doppelbesteuerung der Renten: BFH rügt Bundesregierung

In zwei Entscheidungen hatte der Bundesfinanzhof am 31.05.2021 seine Urteile in Bezug auf eine mögliche Dop­pelbesteuerung der Renten verkündet. Auch wenn beide Klagen abgewiesen wurden und die Kläger damit nicht zu Ihrem Recht gekommen sind, sind diese Urteile nicht als Niederlagen zu werten. Im Gegenteil hat der Bundes­finanzhof sehr deutlich klargestellt, dass auch er davon ausgeht, dass bei zukünftigen Rentnergenerationen durchaus eine Doppelbesteuerung vorliege. Daher hat der Bundesfinanzhof dem Gesetzgeber eine konkrete Aufforderung zur Tätigkeit mitgeben und damit die Be­steuerungsgrundlagen so anzupassen, dass die Anforde­rungen des Bundesverfassungsgerichts erfüllt werden.

Michael Krekels
DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte
Vorstandsvorsitzender
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts:
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2002 unter dem Aktenzeichen 2 BvL 17/99 die unterschied­liche Besteuerung von Beamtenpensionen und Sozial­versicherungsrenten für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, eine gesetzliche Neure­gelung zu schaffen:

„In jedem Fall sind die Besteuerung von Vorsorgeauf­wendungen für die Alterssicherung und die Besteue­rung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeauf­wendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird.“

Mit anderen Worten: Was bereits der Einkommensteuer unterlegen hat, darf kein zweites Mal, also doppelt, be­steuert werden.

Was bereits der Einkommensteuer unterlegen hat, darf kein zweites Mal, also doppelt, besteuert werden.

Die gesetzliche Neuregelung zum 01.01.2005:

Der Gesetzgeber hat die Besteuerung der Altersein­künfte zum 01.01.2005 umfassend neu geregelt und hat dabei einen Systemwechsel von der Besteuerung des Ertragsanteils auf das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung vorgenommen. Die Renten unterliegen ge­mäß § 22 EStG nicht mehr lediglich mit dem sogenannten Ertragsanteil der Besteuerung, sondern werden wie die Beamtenpensionen im Jahr der Zahlung im Grundsatz voll besteuert. Im Gegenzug sind die Einzahlungen in die Rente als Sonderausgaben steuerlich sofort abziehbar.

Zur Umsetzung dieser grundlegenden Umstellung der Rentenbesteuerung sieht das Gesetz eine Versteuerung der Renten zu 50 % ab dem Jahr 2005 sowie eine jähr­liche Anhebung des Prozentsatzes bis zu 100 % im Jahr 2040 vor. Entsprechend einer weiteren Übergangsrege­lung bis zum Jahr 2025 ist der Abzug der Aufwendungen für die Rente beschränkt, im Jahr 2005 auf 60 % und ab dem Jahr 2025 ist erst ein voller Abzug möglich.

Verfahren X R 20/19
Der Kläger war Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, blieb allerdings freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere „Rürup“-Renten, ebenso zahlreiche Renten aus priva­ten Kapitalanlageprodukten. Das Finanzamt setzte für die gesetzliche Altersrente einschließlich der Leistun­gen der Höherversicherung den sich nach der gesetz­lichen Übergangsregelung ergebenden Besteuerungs­anteil von 58 % an. 42% der ausgezahlten Rente blieben steuerfrei. Im Hinblick auf die hohen Beitragsleistun­gen des Klägers in zwei Versorgungssysteme wandte das Finanzamt die sog. Öffnungsklausel an. Diese er­möglicht es, in bestimmten Konstellationen die Rente zumindest teilweise mit dem günstigeren Ertragsanteil zu versteuern. Die „Rürup“-Renten des Klägers brachte das Finanzamt mit dem Besteuerungsanteil, die sonsti­gen privaten Leibrenten – wie vom Gesetz vorgesehen – mit dem Ertragsanteil in Ansatz. Das Finanzgericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab.

Verfahren X R 33/19?
Im Streitfall war der Kläger während seiner aktiven Er­werbstätigkeit überwiegend selbständig als Steuerbera­ter tätig. Auf seinen Antrag hin war er in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Er zahlte seine Rentenbeiträge größtenteils aus eigenem Einkom­men. Dabei konnte er diese Aufwendungen nur begrenzt als Sonderausgaben abziehen, also nur zum Teil „steuer­lich absetzen“. Seit 200? erhält der Kläger eine Altersren­te. Im vorliegenden Verfahren wandte er sich gegen de­ren Besteuerung im Jahr 2008. Das Finanzamt hatte – entsprechend der gesetzlichen Übergangsregelung – 46 % der ausgezahlten Rente als steuerfrei behandelt und die verbleibenden 54 % der Einkommensteuer unter­worfen. Der Kläger hat eine eigene Berechnung vorge­legt, nach der er rechnerisch deutlich mehr als 46 % sei­ner Rentenversicherungsbeiträge aus seinem bereits versteuerten Einkommen geleistet hat. Nach seiner Auf­fassung liegt deshalb eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Teilen seiner Rente vor. Das Finanzge­richt sah dies anders und wies die Klage ab.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die Übergangsregelung für die Besteuerung von Leibrenten aus der Basisversorgung grundsätzlich verfassungsgemäß.

Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu der ab 2005 geltenden Rentenbesteuerung:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanz­hofs ist die Übergangsregelung für die Besteuerung von Leibrenten aus der Basisversorgung grundsätzlich ver­fassungsgemäß. Dabei hat der Bundesfinanzhof in Be­zug auf die allgemeine Ausgestaltung der Übergangsre­gelungen ausdrücklich auch gröbere Typisierungen und Generalisierungen als zulässig angesehen. Der allgemei­ne Gleichheitsgrundsatz ist nicht verletzt, auch wenn die Übergangsregelung trotz der unterschiedlichen einkommensteuerlichen Vorbelastung der Beiträge nicht zwischen vormals Selbständigen und vormaligen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern differenziert. Das Bundesverfassungsgericht hat diese langjährige Rechtsprechung im Jahr 2016 ausdrücklich bestätigt.

Bereits geklärte Fragen zur sogenannten doppelten Besteuerung von Renten:

  1. Durch die Rechtsprechung geklärt ist, dass Renten­zahlungen nicht der Besteuerung unterworfen wer­den dürfen, soweit die zugrundeliegenden Beitrags­zahlungen aus versteuertem Einkommen geleistet worden sind.
  2. Die oder der Steuerpflichtige kann eine verfassungs­widrige doppelte Besteuerung erstmalig bei Beginn des Rentenbezugs rügen.
  3. Legt die oder der Steuerpflichtige die aus ihrer oder seiner Sicht bestehende doppelte Besteuerung hin­reichend substantiiert dar, müssen das Finanzamt und im Fall eines gerichtlichen Steuerstreits das Fi­nanzgericht einzelfallbezogen ermitteln und prüfen, ob tatsächlich eine doppelte Besteuerung vorliegt.
  4. Die „Beweislast“ für das Vorliegen einer verfassungs­widrigen doppelten Besteuerung trägt die oder der Steuerpflichtige.
  5. Kann die oder der Steuerpflichtige im Einzelfall nach­weisen, dass es zu einer doppelten Besteuerung kommt, kann ihr oder ihm aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls aus verfas­sungsrechtlichen Gründen ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugs-phase zukommen.

Entscheidungen vom 31.05.2021 des Bundesfinanzhofs
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in der einen Entschei­dung vom 19.05.2021 (X R 20/19) entschieden, dass die Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente (§ 269 Abs. 1 SGB VI) als Teil der Rente einheitlich mit den regulären Rentenbezügen zu versteuern sind. Dass jene Leistungen sozialversiche­rungsrechtlich zu einer überdurchschnittlichen Versor­gung aus der gesetzlichen Rentenversicherung führen und ausschließlich aus eigenen Beiträgen des Versicher­ten finanziert wurden, erachtete der BFH als unerheblich.

Dagegen teilte der BFH die Auffassung der Kläger, dass die gesetzliche Öffnungsklausel, die bei überobligato­risch hohen Einzahlungen in ein Altersvorsorgesystem der Gefahr einer doppelten Besteuerung von Renten vorbeugen soll, nach dem eindeutigen Gesetzeswort-laut nur auf Antrag des Steuerpflichtigen anwendbar ist. Sie hätte danach im Streitfall keine Anwendung finden dürfen, weil die Kläger keinen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Die Frage, ob Steuerpflichtige, die be­wusst keinen Antrag auf Anwendung der gesetzlichen Öffnungsklausel zur niedrigeren Besteuerung ihrer Altersrente stellen, überhaupt eine doppelte Besteue­rung rügen können, konnte im Streitfall offenbleiben.

Der BFH stellte zudem klar, dass zum steuerfreien Ren­tenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebe-nenrente zu rechnen sind. Im Streitfall war daher auch der steuerfrei bleibende Teil einer späteren Witwenren­te der Klägerin zu berücksichtigen.

Regelmäßige Anpassungen einer der Basisversorgung dienenden gesetzlichen oder „Rürup‘-Rente sind nach Auffassung des BFH auch in der Übergangsphase in vol­ler Höhe und nicht – wie von den Klägern begehrt – mit dem geringeren individuellen Besteuerungsanteil zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der streitigen Renten des Klägers aus pri­vaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisver­sorgung konnte der BFH keine doppelte Besteuerung feststellen. Die für diese Renten geltende Ertragsan-teilsbesteuerung kann nach Ansicht des X. Senats be­reits systematisch keine doppelte Besteuerung her­vorrufen, weil der durch das Gesetz festgelegte Ertragsanteil in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Renten­bezugs typisiert.

Hinsichtlich der streitigen Renten des Klägers aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung konnte der BFH keine doppelte Besteuerung feststellen.

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 19.05.2021 – X R 33/19 so dann erstmals genaue Berechnungsparame­ter für die Ermittlung einer doppelten Besteuerung von Renten festgelegt. Zwar hatte die Revision des Klägers keinen Erfolg. Allerdings ergibt sich auf der Grundlage der Berechnungsvorgaben des BFH, dass spätere Rentner­jahrgänge von einer doppelten Besteuerung ihrer Renten betroffen sein dürften. Dies folgt daraus, dass der für jeden neuen Rentnerjahrgang geltende Rentenfreibe­trag mit jedem Jahr kleiner wird. Er dürfte daher künftig rechnerisch in vielen Fällen nicht mehr ausreichen, um die aus versteuertem Einkommen geleisteten Teile der Rentenversicherungsbeiträge zu kompensieren.

Eine solche doppelte Besteuerung wird vermieden, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei blei­benden Rentenzuflüsse (kurz: steuerfreier Rentenbe­zug) mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrach­ten Rentenversicherungsbeiträge. Nach Ansicht des BFH können Wertsteigerungen der Renten – unabhängig davon, ob sie inflationsbedingt sind oder eine reale Er­höhung darstellen – besteuert werden.

Erstmals hat der X. Senat jetzt konkrete Berechnungs­parameter für die Ermittlung einer etwaigen doppelten Besteuerung von Renten festgelegt. Dabei hat er klar­gestellt, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegat­ten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind.

Alle anderen Beträge, die die Finanzverwaltung eben­falls als „steuerfreien Rentenbezug‘ in die Vergleichs­rechnung einbeziehen möchte, bleiben allerdings nach Auffassung des BFH unberücksichtigt. Damit bleibt insbesondere auch der sog. Grundfreibetrag, der das steuerliche Existenzminimum jedes Steuerpflichtigen sichern soll, bei der Berechnung des „steuerfreien Ren­tenbezugs‘ unberücksichtigt. Für die Ermittlung des aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Teils der Rentenversicherungsbeiträge hat der X. Senat eben­falls konkrete Berechnungsparameter formuliert.

Fazit und Ausblick:
Der BFH hat dem Gesetzgeber einen deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl verpasst, in dem er aufgezeigt hat, dass in zukünftigen Fällen eine Doppelbesteuerung eintreten wird, indem gerade nicht der steuerfreie Rentenbezug mindestens ebenso hoch sein wird, wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträgen. Die Forderung nach einer Anpassung durch den Gesetzgeber ist damit bereits deut­lich artikuliert. Ohne eine Anpassung des Gesetzgebers nach den Berechnungsparametern des Bundesfinanz­hofs, ist davon auszugehen, dass der Bundesfinanzhof in kommenden Entscheidungen den Klagen stattgeben wird und Doppelbesteuerungen annehmen wird.

Ohne eine Anpassung des Gesetzgebers, ist davon auszugehen, dass der Bundesfinanzhof Doppelbesteuerungen annehmen wird.

Mithin ist es im Hinblick auf ein Verfahren vor dem Fi­nanzgericht Saarland Aktenzeichen 3 K 1072/20 wei­terhin wichtig, die Steuerbescheide durch einen Ein­spruch offen zu halten.

Zudem hat der BFH gerade offengelassen, ob die Öff­nungsklausel auch dann zur Anwendung kommt, wenn der Steuerpflichtige diese nicht beantragt hat. Es wird daher dringend dazu geraten, diese Öffnungsklausel in jedem Fall zu beantragen, so dass man von etwaigen Steuervorteilen auch tatsächlich profitiert und nicht leer ausgeht.

Gerne wird den Mitgliedern des DFK ein Muster für einen Einspruch zur Verfügung gestellt und auch weitere Fra­gen können gerne an die Juristen des DFK gestellt werden.         

kk

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