Die exklusiv für den DFK angebotene Führung im Justizpalast ist ausgebucht, und unsere große Gruppe sammelt sich nach der Sicherheitskontrolle im luftigen Innenhof des Gebäudes.
Die Harmonie neubarocker Architektur und die nach Kriegszerstörungen in großen Teilen wiederhergestellten Schmuckelemente am Gebäude beeindrucken sofort. Die Notwendigkeit beziehungsweise der Wunsch nach einem neuen Justizgebäude entsprang der neuen Reichsverfassung von 1871, die die Rolle der Rechtsprechung als dritte Gewalt verankerte und deutlich stärkte. Erbaut zwischen 1891 und 1897 war ein derart repräsentatives Gebäude durchaus typisch für die Justiz dieser Zeit. Der Justizpalast in der Prielmayerstraße steht in einer Reihe mit prächtigen Justizgebäuden in Brüssel, Berlin, Paris und Wien. Der Architekt Friedrich Thiersch (das „von“ kam erst nach dem vollendeten Bau in seinen Namen) hatte sich bereits vorher bei namhaften Projekten wie dem Berliner Reichstag in den Ausschreibungen auf den vordersten Plätzen qualifiziert und mit dem Justizpalast in München gewissermaßen den „Durchbruch“ geschafft. Wer hätte gedacht, dass der Justizpalast in München fast die Größe des Reichstagsgebäudes in Berlin erreicht? Und wen wundert es – angesichts von Budgetdiskussionen und kontinuierlicher Sinn-Hinter-fragung bei Großprojekten wie einem Konzertsaal oder der Nutzung der Paketposthalle in München – dass auch schon damals um die Kosten gerungen wurde.
Unser Guide kennt den Justizpalast als studierter Jurist aus eigener Berufstätigkeit. Neben unzähligen Fakten zu Geschichte, Architektur und Funktion sind seine anekdotenhaft erzählten Geschichtchen und humorvoll launigen Anmerkungen das i-Tüpfelchen dieser hervorragenden Führung.
Funktional war das Gebäude für Amtsgericht, Landgericht und Justizministerium geplant. Nach weniger als zehn Jahren schon reichte der Platz nicht mehr.
Daran, dass Recht und Justiz nicht identisch sind, erinnert unser Begleiter mit den Prozessen zur Ermordung Kurt Eisners durch Graf von Arco und den Prozessen im Dritten Reich im Justizpalast. Eine Dauer-Sonderausstellung zur Weißen Rose stellt diverse Dokumente auf dem Weg vom parlamentarischen Rechtsstaat hin zur Diktatur aus und zeigt den Gerichtssaal, in dem die Verurteilung der Geschwister Scholl stattgefunden hat. Die Nationalsozialisten haben die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln ausgeschaltet. Das Parlament hat sich selbst entmachtet – eine unvorstellbare Entwicklung, die gerade in aktueller Zeit jedem im Gedächtnis präsent sein sollte.
Aber wir blicken nicht nur in die dunklen Stunden, sondern hören auch von den Prozessen um Starköche, Fußballfunktionäre und andere Prominente. Ein Gang durch die Galerie mit Gemälden oder Fotos der Justizminister rundet nach fast zwei Stunden die Führung ab und wir schließen mit einem höchstverdienten Applaus für unseren Fremdenführer.
Simone Fischer
Mitglied des Vorstandes der RG Süd