Gehaltskürzung von Führungskräften in der Coronakrise „Zwischen Solidarität und „betrieblicher“ Quarantäne“

Oliver Flesch
DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte
Geschäftsführer
Fachanwalt für Arbeitsrecht

von Oliver Flesch (Fachanwalt für Arbeitsrecht)

In einer Zeit, in der Worte im Mund veralten und sich die Ereignisse aufgrund der Corona-Krise überschlagen, macht man sich nicht unbedingt beliebt, wenn man das Thema Sorgen von Führungskräften hinsichtlich Gehaltskürzungen anspricht.

Politiker betonen derzeit in der Corona-Krise zu Recht, dass die Gesundheit der Menschen und Sicherstellung der medizinischen Versorgung oberste Priorität haben müssen.

Hinsichtlich der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona Pandemie geht es, laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, jetzt darum Arbeitsplätze zu erhalten und Menschen Sicherheit zu geben. Diesbezüglich wurde Kurzarbeit massiv gestärkt und der Zugang hierzu erleichtert um die Unternehmen im Kampf um die Arbeitsplätze zu unterstützen.

Der im März 2020 beschlossene Nachtragshaushalt der Bundesregierung wird als größter Solidarpakt seit der Wiedervereinigung bezeichnet.

Alle Menschen sollen sich nach der Aufforderung der Bundesregierung aktuell solidarisch verhalten. Solidarität wird im Duden zum einen als unbedingtes Zusammenhalten mit jemanden aufgrund gleicher Anschauungen und Ziele definiert und als auf das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Eintreten füreinander sich gründende Unterstützung bezeichnet.

Gehaltsverzicht im Profifußball

Nach Medienberichten zufolge soll z.B. der bayerische Ministerpräsident in einem Interview sinngemäß die Großverdiener der Fußball Bundesliga aufgefordert haben, aktuell auch Solidarität gegenüber ihren Vereinen zu zeigen und einen Beitrag zu leisten, damit ihre Vereine, die Liga und der Sport wieder stattfinden können, wenn die Krise hoffentlich überwunden wurde. Er äußerte, dass es in Zeiten der Corona-Krise zum Beispiel auch nicht die vordringlichste und wichtigste Aufgabe der Politik sei, dafür zu sorgen, dass die Profivereine der Fußball Bundesliga wirtschaftlich überleben können und er die Vereine und Spieler auch in der Pflicht sehe, mitzuhelfen.

Von den ersten Fußball-Bundesligavereinen wurde mittlerweile (Stand 26.3.2020) in den Medien verkündet, dass die Profifußballer und Verantwortlichen sich auf einen Teilverzicht Ihrer Vergütung während der Corona-Krise und ausgesetztem Spielbetrieb verständigt hätten, die z.B. bei dem Branchenprimus Bayern München 20% des Gehaltes betragen würden.

Wie würden Sie entscheiden? Gehaltsverzicht ja oder nein?

Im Rahmen des Gehaltsverzichts werden Synonyme der Solidarität wie Geschlossenheit, Teamgedanke, Kollegialität und Gerechtigkeit betont, zumal die meisten Arbeitnehmer im Betrieb nicht gutverdienende Profifußballer sind und schlicht von Ihnen als Führungskraft erwarten, dass Sie sich solidarisch zeigen, um Ihrer Vorbildfunktion als Führungskraft gerecht zu werden.

In einer wirtschaftlichen Krise des Unternehmens wird häufiger der Versuch unternommen die laufenden Kosten zu senken. Die Vergütung von Führungskräften ist immer wieder ein Faktor der Kostensenkung und es führt in der Praxis oft zu Unverständnis in der Belegschaft, falls sich die Führungskräfte in Zeiten der Krise nicht solidarisch zeigen.

Würden Sie sich als Führungskraft also freiwillig einen Gehaltsverzicht akzeptieren, ja oder nein?

Die folgenden rechtlichen Überlegungen sollen Ihnen bei Ihrer Entscheidung helfen, welche Sie nur individuell treffen können.

Dabei sollten Sie unter anderem folgende Punkte als Führungskraft beachten und ihre Rechtsposition kennen:

Kann mein Unternehmen mir Gehalt/Vergütung kürzen:

1. Vorstand einer Aktiengesellschaft

Zunächst ist Ihre Position im Unternehmen zu beachten. Als Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) gibt es in Krisenzeiten des Unternehmens eine Kürzungsmöglichkeit nach dem Gesetz. Seit der Novellierung des § 87 Absatz 2 AktG durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorStAG) im Jahre 2009 soll der Aufsichtsrat die Bezüge des Vorstandes herabsetzen, wenn sich die Lage der Gesellschaft nach Festsetzung der Bezüge des Vorstandes verschlechtert hat und die Weitergewährung für die Aktiengesellschaft unbillig wäre.

§ 87 Absatz 2 des AktG lautet: „Verschlechtert sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung so, dass die Weitergewährung der Bezüge (des Vorstandsmitgliedes) unbillig für die Gesellschaft wäre, so soll der Aufsichtsrat (….) die Bezüge auf eine angemessene Höhe herabsetzen.“

Bei börsennotierten Aktiengesellschaften und dem seit Anfang 2020 neu eingefügten § 87a AktG im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) beschließt der Aufsichtsrat ein klares und verständliches System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder, um gemeinsam mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex zumindest Grundlinien einer angemessenen Vorstandsvergütung festzulegen, wobei auch unter anderem eine Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder und die Möglichkeit der Gesellschaft variable Vergütungsbestandteile zurückzufordern besteht.

Die Struktur der Vorstandsvergütung ist bei börsenorientierten Aktiengesellschaften zukünftig nicht nur auf eine langfristige, sondern auch nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten, bei der auch die Hauptversammlung über die Billigung des Vergütungssystems für Vorstandsmitglieder beschließt, einschließlich jeder wesentlichen Änderung des Vergütungssystems. Der Aufsichtsrat kann bei börsennotierten Gesellschaften nach § 87a Absatz 2 Satz 2 AktG vorübergehend von den Vergütungssystem abweichen, wenn dies im Interesse eines langfristigen Wohlergehens der Gesellschaft notwendig ist und das Vergütungssystem das Verfahren des Abweichens sowie die Bestandteile des Vergütungssystems, von dem abgewichen werden kann, benennt.

2. Geschäftsführer einer GmbH

Für Geschäftsführer einer GmbH wird bislang noch die entsprechende Anwendung von § 87 Absatz 2 AktG und § 87a des AktG abgelehnt, da die unterschiedliche Behandlung von Geschäftsführern und Vorständen hinsichtlich Ihrer Vergütung im Gesetz angelegt ist. (vgl. BGH 27.10.2015 II ZR 296/14). Der Vorstand einer AG leitet die Gesellschaft unter eigener Verantwortung, während der Geschäftsführer nach § 37 GmbHG weisungsabhängig gegenüber den Gesellschaftern ist.

Eine analoge Anwendung von § 87 Absatz 2 des AktG hätte zur Folge, dass die Bezüge eines Geschäftsführers auch dann herabgesetzt werden könnten, wenn sich die wirtschaftliche Lage allein in Folge von Geschäften verschlechtert, die der Geschäftsführer auf Weisung der Gesellschaft vornehmen musste.

Der Geschäftsführer kann in Ausnahmefällen allenfalls verpflichtet sein nach zivilrechtlichen Grundsätzen einer Vergütungsherabsetzung zuzustimmen, wenn eine wirtschaftliche Notlage durch die Auszahlung der ungekürzten Vergütung der Gesellschaft finanzielle Mittel entzogen würden (Treuepflicht/Störung der Geschäftsgrundlage).

3. Der leitende Angestellte (i.S.v § 5 Absatz 3 und 4 BetrVG)

Bei Arbeitnehmern greifen die Unternehmen aktuell im Rahmen der Corona-Krise zum Mittel der Kurzarbeit. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zur einseitigen Einführung von Kurzarbeit gelten für leitende Angestellte i.S.v. § 5 Absatz 3 und 4 BetrVG nicht. Kurzarbeit kann einseitig ohne die Zustimmung des leitenden Angestellten nur durchgesetzt werden, wenn dies einzelvertraglich entweder aus konkretem Anlass oder bereits in dem Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Grundsätzlich besteht bei dem leitenden Angestellten die Besonderheit, dass Betriebsvereinbarungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz für sie anders als für außertarifliche Angestellte, die nicht leitende Angestellte i.S. v. § 5 Absatz 3 und 4 BetrVG sind, normalerweise nicht gelten.

Der Sprecherausschuss hat nicht die Möglichkeit, mit dem Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen i.S.v. § 77 BetrVG abzuschließen. In § 28 Absatz 1 des Sprecherausschussgesetzes ist dem Sprecherausschuss die Befugnis eingeräumt Richtlinien über den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen der leitenden Angestellten mit dem Arbeitgeber schriftlich zu vereinbaren. § 28 Absatz 1 SprAuG regelt die Richtlinien ohne automatische Rechtswirkung und bedürfen der einzelvertraglichen Umsetzung. Richtlinien mit zwingender Rechtswirkung haben ihre Regelung in § 28 Absatz 2 SprAuG. Gemäß § 28 Absatz 2 Satz 2 SprAuG sind abweichende Regelungen zu Gunsten leitender Angestellter zulässig. Damit normiert die Regelung ausdrücklich das Günstigkeitsprinzip.

Setzt der leitende Angestellte angeordnete Kurzarbeit widerspruchslos tatsächlich um, so kann dies im Einzelfall als konkludente Vereinbarung gedeutet werden (LAG Düsseldorf Urteil vom 14.10.1994 AZ 11 Ca 1135/94, DB 1995, 682, BAG Urteil vom 20.05.1976 , 2 AZR 202/75), obwohl in den meisten Arbeitsverträgen eine Schriftform zur Vertragsänderung vorgesehen ist und Schweigen normalerweise nicht als Annahme gilt. Falls allerdings eine Vereinbarung zwischen dem leitenden Angestellten und dem Arbeitgeber fehlt, bleibt dem Arbeitgeber zur einseitigen Durchsetzung zur Kürzung nur die Möglichkeit eine Änderungskündigung auszusprechen oder eine individuelle freiwillige Vereinbarung mit dem leitenden Angestellten abzuschließen.

Änderungskündigung

Bei einer Änderungskündigung kündigt der Arbeitgeber das gesamte Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer und bietet gleichzeitig einen neuen Arbeitsvertrag zu geänderten Arbeitsbedingungen (mit zum Beispiel weniger Lohn) an. Der Arbeitnehmer kann in dieser Situation das geänderte Vertragsangebot annehmen und in diesem Fall würde das geänderte Vertragsangebot unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist des Arbeitnehmers, den alten Arbeitsvertrag ablösen. In den meisten Fällen in der Praxis nimmt der Arbeitnehmer das Angebot des Arbeitgebers unter dem Vorbehalt an, dass die Kündigung im Rahmen einer Änderungskündigungsschutzklage vom Arbeitsgericht auf seine soziale Rechtfertigung überprüft wird. In der Regel werden dem Arbeitgeber in solchen Fällen der Entgeltsenkung hohe Hürden auferlegt. Der Eingriff in das arbeitsvertragliche vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ist allenfalls nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG 20.06.2013 – 2 AZR 396/12) gerechtfertigt, wenn bei dessen Beibehaltung betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstünden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebes führen müssten. Oft bedarf es zur Rechtfertigung einer solchen Eingriffes eines umfassenden Sanierungsplanes, der alle im Vergleich zur beabsichtigten milderen Mittel ebenfalls ausschöpft.

Allein die Dauer der individualvertraglichen Kündigungsfrist, die auch bei einer Änderungskündigung einzuhalten ist, spricht meistens schon dagegen, dass die Arbeitgeber diesen (zeitlich längeren) Weg wählen.

Was sollten Sie beachten, wenn Ihnen der Arbeitgeber einen Gehaltsverzicht oder eine individuelle Vereinbarung zur Kurzarbeit vorlegt?

Überlegen Sie genau und wägen Sie ab, bevor Sie eine solche Vereinbarung voreilig unterschreiben.

Zunächst sollten Sie sich die Gründe für den Gehaltsverzicht schriftlich aushändigen lassen und gegebenenfalls rechtlich überprüfen lassen, da Sie die Angelegenheit in Ruhe überlegen wollen.

In Ihre Überlegungen sollten Sie neben den Umständen der aktuellen Krise auch mit einbeziehen, für welchen Zeitraum der Arbeitgeber einen zeitlich befristeten oder unbefristeten Gehaltsverzicht fordert.

In welcher Branche ist ihr Unternehmen aktiv? Ist es unverschuldet hart betroffen oder sind hier von der Unternehmensleitung gravierende Fehler gemacht worden, sodass Sie im schlimmsten Fall eine Insolvenzgefahr für Ihr Unternehmen in naher Zukunft sehen?

Welchen Plan legt Ihr Unternehmen zur Krisenbewältigung vor und wie ist es und die Branche für die Zukunft aufgestellt?

Werden aktuell trotz der Krise gute Bewerber gesichtet?

Wie verbunden (loyal) sind Sie aktuell zu Ihrem Arbeitgeber und wie lange planen Sie noch bei Ihrem Arbeitgeber zu bleiben oder haben Sie schon innerlich gekündigt?

Wie lange benötigen Sie realistisch auf dem Arbeitsmarkt / in Ihrer Branche um einen neuen vergleichbaren Arbeitsplatz zu erhalten?

Welche Argumente haben Sie als leitender Angestellter, falls Sie einen Gehaltsverzicht als Führungskraft ablehnen?

Als leitender Angestellter sollten Sie argumentieren, dass Sie über die variable Vergütung, die meistens auch an das Unternehmensergebnis gekoppelt ist und etwaige Beteiligung an Aktienpaketen des Unternehmens einen vertraglichen Gehaltsverzicht hinnehmen, der je nach Höhe der variablen Vergütung einen Einkommensverlust bedeutet.

Führungskräfte sind außerdem in Zeiten der Krise oder Kurzarbeit stark gefordert, zumal auch das Arbeitszeitgesetz nach § 18 Absatz 1 Nr.1 ArbZG für Sie nicht gilt und Sie tendenziell eher nach Leistung statt nach Zeit vergütet werden.

Unabhängig davon haben Sie auch als leitender Angestellter die Möglichkeit einen Teilzeitantrag zu stellen, sofern dies für Sie in Betracht kommt und Sie zukünftig vielleicht nur noch vier Tage in der Woche arbeiten möchten.

Ihnen muss allerdings bewusst sein, dass Sie eventuell isoliert und von den Mitarbeitern nicht akzeptiert werden, falls Sie sich nicht solidarisch zeigen und die Karriere für Sie im Unternehmen gebremst wird, da das Verhältnis zu Ihren Vorgesetzten und Mitarbeitern gestört werden kann und Sie vielleicht nicht an die Bewältigung der Krise glauben.

Fazit:

„Whatever it takes“. Finden Sie eine gesunde pragmatische Lösung für sich und Ihren Arbeitgeber mit Fingerspitzengefühl. Bei rechtlichen Fragen stehen wir bei Solidaritätsbekundungen und auch bei gefährdeter Isolation an Ihrer Seite und hoffen Ihnen einige Impulse geben zu können.


Bildquelle: © DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte

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