Geschäftsführerhaftung entfällt nicht bei eigenem Unvermögen der Geschäftsführung

Bundesfinanzhof 15.11.2022 Aktenzeichen VII R 23/19

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Der Bundesfinanzhof hat in einem kürzlich veröffentlichen Verfahren über die Geschäftsführerhaftung zu entscheiden. In den Leitentscheidungen heißt es wie folgt:

Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich gegenüber der Haftungsinanspruchnahme nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme der Geschäftsführung absehen bzw. das Amt niederlegen.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer der A GmbH, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Gründung im November 2002 bis zum 23.04.2012. Faktischer Geschäftsführer der GmbH war allerdings der Sohn des Klägers, B, der formal als Prokurist der GmbH angestellt war Im Zuge einer Überprüfung durch die Steuerfahndung wurde offenbart, dass der Kläger und sein Sohn in der Zeit vom 19.03.2007 bis zum 11.07.2011 Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 2004 bis 2011 in beträchtlicher Höhe verkürzt hatten. Dabei habe der Kläger in Kenntnis aller Umstände zumindest geduldet, dass sein Sohn als faktischer Geschäftsführer 67 Scheinrechnungen tatsächlich nicht existierender Firmen und 34 beleglose Buchungen für angebliche Wareneinkäufe und Fremdleistungen in die Buchführung der GmbH eingestellt und zur Grundlage der jeweiligen Jahressteuererklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen gemacht habe.

Nachdem über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, hat das beklagte Finanzamt einen Haftungsbescheid im Hinblick auf die Steuerschulden der GmbH gegen den Kläger erlassen.

Der Bundesfinanzhof führt in den Entscheidungsgründen wie folgt aus:

Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO kann, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Gemäß § 69 Satz 1 AO, § 34 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) haftet der Geschäftsführer einer GmbH, soweit deren Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden.

Grundsätzlich muss ein Geschäftsführer einer GmbH die steuerlichen Angelegenheiten der GmbH nicht selbst erledigen. Er ist vielmehr grundsätzlich befugt, die Erledigung anderen Personen zu übertragen. Der Geschäftsführer darf aber nur innerhalb gewisser Grenzen der Redlichkeit seiner Hilfspersonen Vertrauen schenken, wenn er sich nicht dem Vorwurf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung aussetzen will. Er ist daher verpflichtet, diejenigen Personen, denen er die Erledigung der ihm als Vertreter des Steuerpflichtigen auferlegten steuerlichen Pflichten überträgt, sorgfältig auszuwählen und laufend zu überwachen. Er muss sich insbesondere ständig so eingehend über den Geschäftsgang unterrichten, dass er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen kann bzw. dass ihm ein Fehlverhalten des beauftragten Dritten rechtzeitig erkennbar wird. Mangelhaftes Überwachen der zur Pflichterfüllung herangezogenen Personen hat der Bundesfinanzhof regelmäßig als grob fahrlässige Pflichtverletzung („Überwachungsverschulden“) eingestuft, wenn er auch betont hat, dass die Entscheidung, welche Überwachungsmaßnahmen von einem Geschäftsführer zu treffen sind, wenn er die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten auf andere überträgt, weitgehend von den Umständen des Einzelfalls abhängt. An die Überwachungsmaßnahmen eines Geschäftsführers müssen dabei umso größere Anforderungen gestellt werden, je weniger dieser sich ein auf Tatsachen gegründetes Urteil darüber bilden konnte, ob die für die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten der Gesellschaft hinzugezogenen Personen die notwendige Gewähr der zuverlässigen Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten der Gesellschaft bieten

Der Bundesfinanzhof hat so dann auch noch klargestellt, dass sich der Geschäftsführer gerade nicht auf das eigene Unvermögen, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen, berufen kann. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme des Geschäftsführeramtes absehen bzw. dieses Amt niederlegen. Wer hingegen die Stellung eines Geschäftsführers nominell und formell übernimmt, haftet, sofern ihm auch der Vorwurf persönlichen Verschuldens mindestens vom Grade grober Fahrlässigkeit gemacht werden kann, nach § 69 AO grundsätzlich auch dann, wenn er nicht befähigt oder aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Überwachungsaufgaben nachzukommen.

Praxishinweis:

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs legt nochmals deutlich die Anforderungen an eine Geschäftsführerhaftung offen und zeigt, dass auch in Fällen von mehreren Geschäftsführern und interner Aufgabenverteilung ein Überwachungsverschulden immer auch zu einer Haftung des anderen Geschäftsführers führen kann. Es sollten daher grundsätzlich nachweisbare turnusmäßige Berichte über die Geschäftsvorfälle an den jeweils anderen Geschäftsführer erfolgen, so dass dieser den Überblick behält und seiner Überwachungsfunktion nachkommt.

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