Gesunde Führung im Digitalen Change

Schwerpunkt Führung und Digitalisierung

Michael Schwartz

von Michael Schwartz

Führungsarbeit in Zeiten der digitalen Transformation wird zunehmend anspruchsvoller. Das hat unterschiedliche Ursachen: Zum einen werden die Arbeitsprozesse komplexer und ändern sich schnell. Die digitale Transformation sorgt für Umbrüche auf fast allen Ebenen. Traditionelle Berufsbilder verändern sich und völlig neue Berufsbilder entstehen. Aus klassischer Führung ist so ein neues Führungsbild entstanden, das Führung und Change-Begleitung vereint.

Zum anderen ändern sich Wertevorstellungen und mit diesen auch das Mitarbeiterselbstverständnis. Der Sinn des Lebens wird immer weniger im alleinigen beruflichen Erfolg gemessen. Der Stellenwert von Freizeit, Familie und Hobby wächst kontinuierlich in den Wertvorstellungen der Menschen. Für Führungskräfte bedeutet dies, dass erfolgreiches Führen heute schwieriger ist denn je.

Psychische Hygiene angesichts der Umbrüche

Gesund führen heißt in erster Linie, auf die psychische Hygiene angesichts der digitalen Umbrüche um uns herum zu achten. Und zwar auf die psychische Hygiene der Führungskraft UND der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Natürlich gehen Führungskräfte dabei mit gutem Beispiel voran. Anders ist es auch nicht möglich, wenn sie ihre nachgeordneten Mitarbeiter von der Sinnhaftigkeit des Unterfangens überzeugen wollen. Das „gesunde“ Voranschreiten und auf die eigene Psychohygiene zu achten kann ebenso Schule machen wie das Gegenteil, wenn Führungskräfte nicht auf die psychische Ausgeglichenheit ihrer eigenen Person und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter achtgeben.

Ein anderer wichtiger Aspekt für jede Führungskraft ist die Verdeutlichung der eigenen unterschiedlichen Rollen in der Führung. Denn Management und Führung sind zwei unterschiedliche Aufgabenbereiche, die nicht selbstverständlich miteinander korrelieren. Im täglichen Management muss die Führungskraft Sachaufgaben und Ziele der Organisation umsetzen. Beim Führen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geht es aber vor allem um Beziehungsmanagement. Das Ziel dabei ist es, die Motivation und Zufriedenheit der Belegschaft so hoch wie möglich zu halten. Zur Erreichung dieser Ziele müssen sie jeweils ein eigenes Instrumentarium zur Verfügung haben. Menschen sind nicht zu „managen“ wie Produktions- und Arbeitsprozesse.

Psychologische Grundbedürfnisse

Ausschlaggebend für gesunde Führung sind die vier psychologischen menschlichen Grundbedürfnisse: die Bedürfnisse nach Bindung, nach Orientierung, nach Selbstwerterhöhung und nach Lustgewinn. Diese vier Bedürfnisse sollte die Führungskraft zum einen für sich selbst im Auge behalten und zum anderen für diejenigen Personen, die geführt werden. Wenn das der Kompass der Führungskraft ist, ist das Feld gesunder Führung schon bestellt. Grundsätzlich möchte jeder Angestellte eine positive Beziehung zu seinem Arbeitgeber haben. In digitalen Umbruchs-Zeiten werden Menschen aber zunächst verunsichert, was ihre künftige Rolle und Zugehörigkeit zur Organisation betrifft. Die Beteiligten – unabhängig davon, ob Mitarbeiterin, Mitarbeiter oder Führungskraft – stellen sich Fragen wie: „was kommt auf mich zu?“, „werde ich weiter gebraucht?“ oder „werde ich den Ansprüchen der Organisation in Zukunft genügen können?“. Damit wird das Bedürfnis nach Bindung und Zugehörigkeit zur Organisation zunächst erschüttert und die Loyalität zum Arbeitgeber kann ins Wanken geraten. Für Führungskräfte heißt dies, dass sie fähig sein müssen, die ersten Anzeichen von Verunsicherung in der Belegschaft wahrnehmen zu können, um sich dann damit ernsthaft auseinanderzusetzen. Die sicherste Methode dazu ist, mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im dauerhaften Dialog zu sein. Das schafft einerseits Vertrauen in das Vorgesetzten-Mitarbeiter-Verhältnis und schärft andererseits die Antennen, neu auftretende Ängste und Verunsicherungen zu erkennen. Ist die Zeit für Einzelgespräche zu knapp, können alternativ regelmäßige Team-Sitzungen wichtige Einblicke in die Stimmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen.

Eine besondere Herausforderung für Führungskräfte besteht, wenn sich im Veränderungsprozess systembedingt widerstreitende Grundsätze ergeben, wie es z.B. häufig zwischen Wirtschaftlichkeit und Sicherheit der Fall ist. Hier sind Führungskräfte in der Rolle der Vermittler und Übersetzer gefragt, die wie ein Mediator dazu beitragen, dass sich Spannungsfelder auflösen oder die Betroffenen in diesem Prozess Fähigkeiten entdecken, wie man mit Spannungsfeldern besser umgehen oder sie vielleicht sogar besser aushalten kann.

Auf Stärken besinnen

Eine der noch wenig erschlossenen Ressourcen im Change-Prozess ist das Besinnen auf Stärken. Dies können Stärken von Mitarbeitern sein, Stärken der Organisation oder Stärken das Produkt betreffend. Die Fokussierung auf Stärken und die Überlegungen, wie diese Stärken in Zukunft noch optimaler eingesetzt werden können, entfalten Potenziale und wirken geradezu wie ein Fitnessprogramm zur Förderung der Gesundheit.

Als gutes Führungsinstrument, besonders in Umbruchs-Zeiten, haben sich unternehmenseigene Social-Intranets erwiesen. Mit diesem Instrument können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Organisationen zum einen zeitnah über alle Veränderungen informiert werden, klassisch mit schriftlicher Information oder auch audiovisuell mit der Einbindung von Videos. Da im Social-Intranet jederzeit Kommentare und Bewertungen zu Inhalten abgegeben werden können, haben Führungskräfte die Möglichkeit, dies als Stimmungs-Indikator zu nutzen. Zum anderen können im Social-Intranet auch Umfragen in der Belegschaft oder bei Teilen der Belegschaft durchgeführt werden. Mit diesem Instrument können Führungskräfte in Veränderungsprozessen Meinungen, Stimmungen oder Teilnahme am Prozess abfragen. Entscheidend beim Einsatz eines solchen unternehmensinternen Kommunikations-Netzwerks ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich ernst genommen fühlen, ihre Anliegen und ihre Ängste eine Stimme bekommen und sie aktiv am Prozess beteiligt werden. Dabei ist die Mitarbeit der Führungskräfte unabdingbar. Nur wenn diese auch Reaktionen zeigen und Feedback geben auf den Input der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, funktioniert das System. Nur dann fühlen sich die Angestellten in ihren psychologischen Grundbedürfnissen ernst genommen und integriert in den Prozess. Hier beweist sich, ob gesunde Führung ernst genommen wird und Wirkung zeigt bei allen Beteiligten.

Kontakt: www.CoachKom.de

Michael Schwartz ist Inhaber von CoachKom und arbeitet als Kommunikations- und Organisationsberater sowie als Coach. Schwerpunktmäßig begleitet er Ingenieure und technische Organisationen. Zuvor war der Diplom-Volkswirt und zertifizierte Coach viele Jahre in der Geschäftsleitung des VDI als Bereichsleiter Strategie und Kommunikation beschäftigt.


Bildquelle 1: © Michael Schwartz

Nach oben scrollen