Arbeitgeber*innen müssen in einem Urlaubsjahr ihre Beschäftigten rechtzeitig zum Urlaubnehmen auffordern und auf einen drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen hinweisen. Dies gilt auch gegenüber Beschäftigten, die lang andauernd erkrankt sind, oder bei Mitarbeiter*innen, die im Laufe des Jahres voll erwerbsgemindert wurden. Der Verfall ist nur zulässig, wenn der/die Arbeitgeber*in rechtzeitig und ernsthaft dem/der Beschäftigten angeboten hat, den Urlaub noch zu nehmen. Der/die Arbeitgeber*in muss auf ein drohendes Erlöschen des Urlaubsanspruchs hinweisen. Wurde dies nicht getan, ist der Urlaubsanspruch nicht verfallen, urteilte am 22.09.2022 der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, AZ: C-518/20 und C-727/20.
Nach dem Bundesurlaubsgesetz muss der bezahlte Urlaub regelmäßig im laufenden Urlaubsjahr genommen werden. Aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen oder vorbehaltlich anderer tariflicher Regelungen kann der Resturlaub auch bis Ende März des Folgejahres in Anspruch genommen werden. Danach ist der Verfall des nicht genommenen Urlaubs vorgesehen. Es gilt jedoch bei einer besonders langen Arbeitsunfähigkeit eine Ausnahme: Der Urlaubsanspruch verfällt erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres.
In den beiden Fällen ging es um einen Mitarbeiter, der seinen Jahresurlaub von 34 Tagen wegen einer ab Dezember 2014 erlittenen vollen Erwerbsminderung nicht mehr nehmen konnte, und um eine Mitarbeiterin, die wegen lang andauernder Erkrankung ihren Resturlaub von 14 Tagen aus dem Jahr 2017 nicht innerhalb der geltenden Verfallsfrist nehmen konnte.
Als die Beschäftigten ihren Urlaubsanspruch bei ihrem Arbeitgeber geltend machten, lehnte dies den Anspruch mit der Begründung ab, die Urlaubsansprüche seien nach 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres untergegangen.
Die Luxemburger Richter betonten, dass bei einer lang andauernden Arbeitsunfähigkeit zwar Urlaubsansprüche regelmäßig 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfallen. Allerdings müsse der/die Arbeitgeber*in sicherstellen, dass, bevor die Beschäftigten im laufenden Urlaubsjahr voll erwerbsgemindert oder arbeitsunfähig wurden, sie auch ihren Urlaub rechtzeitig nehmen können. Habe der/die Arbeitgeber*in sie nicht zum Urlaubnehmen aufgefordert und auf einen drohenden Verfall hingewiesen, gelte die 15-Monats-Frist nicht, so der EuGH.
Wenn Mitarbeiter*innen Kündigung fordern
Arbeitgeber*innen können Führungskräfte trotz drohender Eigenkündigung der Mitarbeiter*innen nicht fristlos entlassen. Im Fall einer sogenannten Druckkündigung aufgrund Eigenkündigungsandrohungen einer Vielzahl von Mitarbeiter*innen hat sich der/die Arbeitgeber*in grundsätzlich auch dann schützend vor den/die Arbeitnehmer*in zu stellen und zu versuchen, die Drohung abzuwenden, wenn es zeitlich vor den Eigenkündigungsandrohungen Gespräche und Mediationen wegen eines Konflikts mit den betroffenen Arbeitnehmer*innen gegeben hat. So entschied das Arbeitsgericht Nordhausen mit Urteil vom 13.07.2022, AZ: 2 Ca 199/22.
Nach Beschwerden aus dem Team der Beklagten über die Klägerin fanden ein Personalgespräch, ein Team-Workshop und ein Mediationsversuch statt. Im Anschluss führte die Beklagte eine schriftliche Befragung unter den Teammitgliedern durch. Die Beklagte kündigte der Einrichtungsleiterin mit Zustimmung des Personalrates sodann außerordentlich fristlos sowie hilfsweise ordentlich. Im Kündigungsschutzprozess begründete die Beklagte die Kündigung mit dem behaupteten massiven Druck der Teammitglieder. Ein erheblicher Teil ihrer Mitarbeiter*innen weigere sich, mit der Klägerin wegen ihres Führungsstils weiter zusammenzuarbeiten
Das Arbeitsgericht gab der Kündi-gungsschutzklage statt. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung läge nicht vor und auch verhaltens- oder personenbedingte Gründe im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes gäbe es nicht. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht auf eine angebliche Drucksituation infolge der Missstimmung im Team berufen, da sie sich nicht schützend vor die Klägerin gestellt habe. Im Gegenteil hatte sie durch suggestive Fragen in der Fragebogenaktion selbst zur negativen Stimmung gegen die Klägerin beigetragen.
Über die Autorin
Nuray Akyildiz leitet das DFK-Büro in Frankfurt am Main. Sie ist Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht. Nuray Akyildiz betreut die Regionalgruppe Mitte und leitet das DFK-Ressort der Young Professionals.