Wie digitale Humanisten die Wirtschaft retten

Führen in unsicheren Zeiten

Mela Chu
© Mela Chu

Wir haben es nicht leicht. Eine Pandemie hält uns immer noch im Griff und ist ein Symptom für unsere komplexe und unsichere Welt, in der wir für Stabilität und Ertrag sorgen müssen. Die Symptome spüren wir in Form von starken Veränderungen, von Umsatzrückgängen, von Mitarbeitern und Kunden, die anders als früher ticken. Überhaupt – vieles funktioniert nicht mehr so, wie wir es gewohnt sind.

Technologien, insbesondere die Digitalisierung, haben unser gesamtes Leben in allen Bereichen in einer enor­men Geschwindigkeit verändert. Die Veränderung als andauernder Prozess ist das einzig Sichere, auf das wir zählen können.

Quantitative Faktoren des alten Wirtschaftsparadig­mas und ein ‚Höher, Schneller, Weiter‘ werden uns im globalen Wettbewerb kläglich versagen lassen. China und Amerika sind größer und zahlreicher, da können wir uns mit vergangenen Erfolgen nicht schmücken.

Mit der „Power of Scale“, haben die Amerikaner mit ihren Größen- und Skalierungs-Ambitionen eine aus­reichend große Weltmacht gebildet, gegen die wir nicht mit gleichen Mitteln nachkommen können. Ebenso hat der asiatische Markt mit seiner „Power of the Mass“, eine ungebrochene Innovationsfreude durch ein Mil­liardenvolk geschaffen, das sich gerade anschickt, die größte Handelsweltmacht zu werden.

Wir grenzen uns mit einer selbstbewussten, nachhalti­gen europäischen Positionierung ab, die einen Gegen­entwurf zu unendlichem Wachstum aufzeigt. Substanz erreichen wir mit Sinn und der Schaffung eines gesell­schaftlichen Mehrwertes – und ökonomischem Mehr­wert. Parallel, als Doppelstrategie.

Gemeinsam sind wir mehr als Einzelne.

Power of Purpose
Gemeinsam sind wir mehr als Einzelne. Wird dieses Potenzial der gemeinsamen Kraft und des WIRs ver­antwortungsvoll mit digitaler Technologie genutzt, so bilden wir eine starke Einheit, die Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit bildet. Unsere europäischen Wurzeln, wie z. B. die Denkrichtungen der Antike, des Humanismus, der Aufklärung und der sozialen Markt­wirtschaft, geben uns Europäern eine klare, feste Stel­lung im globalen Markt, die Sinn, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zum Kern von unternehmerischem Handeln bieten kann.

Mit der selbstbewussten Herausstellung unserer hu­manistischen Werte haben wir klare Stärken und Qua­litäten, die tief verankert in unserer Historie liegen. Unternehmen, die nachhaltig und ganzheitlich sinnori-entiert wirtschaften, haben nachweislich mehr Erfolg. Unternehmerischer Erfolg und Nachhaltigkeit stehen gemeinsam vorne, wenn soziale Innovationen sich mit Technologie verbinden und dem Menschen und der Ge­sellschaft einen Mehrwert bieten.

Digitale Humanisten sichern die Zukunft
Die humanistische Grundhaltung, die eine wertschät­zende und menschenorientierte Wirtschaft verfolgt, ist nichts Neues. Doch wenn Führung und Unternehmens­kulturen konsequent an Menschen ausgerichtet sind und Technologien und Innovationen für eine sinnvolle, ertragreiche Arbeit sorgen, ist das nicht überall so.

Die Kombination aus Werteorientierung, gepaart mit di­gitaler Kompetenz, ergibt die Möglichkeit, Technik und Herz intelligent miteinander zu verbinden.

Eine digitale Humanistin führt ihr Team mit Herz und Verstand. Sie weiß, warum und wie sie Digitalisierung einsetzt, um die beste Unterstützung für ihre Ziele zu erreichen. Ihr sind Beziehungen (nach außen) zu Kun­den und Partnern ebenso wichtig wie Beziehungen (nach innen) zu Mitarbeitern und Kollegen, um sinnvoll und nachhaltig wirtschaften zu können.

Die beiden Beziehungspole, die ein Unternehmen nach innen und außen zu den Stakeholdern unterhält, sind geprägt von soften Fähigkeiten wie z. B.:

Emotionale IntelligenzAchtsamkeitWertschätzung
SelbstführungBeziehungsfähigkeitVerbundenheit
ProfessionalitätVertrauenEmpathie
LernfähigkeitWohlwollenSelbsterkenntnis
ErmutigungToleranzVorurteilsfreiheit
OffenheitKommunikationsfähigkeitKonfliktfähigkeit

Die beiden Einflusspole Technologie und gesellschaftli­che Strömungen prägen die Veränderungen und Verhal­tensweisen von Unternehmen und Führungskräften.

Stringenterweise ist eine ganzheitliche, ethische Transformation des Unternehmens notwendig.

Ethische Transformation
Stringenterweise ist eine ganzheitliche, ethische Transformation des Unternehmens notwendig. Doch wie viel Veränderung brauchen wir wirklich? Wie viel Digitalisierung brauchen wir? Und was macht für uns ethische Transformation aus? – Eine WIR-Kultur, die sich gemeinsam entwickelt.

Diese Fragen sind in einem gemeinsamen Diskurs am besten zu beantworten. Schaffen Sie eine Unterneh­menskultur, die auf Vertrauen, psychologischer Si­cherheit und gemeinsamem Lernen aufgebaut ist. Als Grundlage wird eine agile Transformation des Unterneh­mens eingeleitet, die mit agiler Zusammenarbeit und di­gitalen Technologien eine zukunftsfähige Basis für ihre Mitarbeiter schafft. Die darauf abgestimmte ethische Transformation schafft einen konsequenten Verände­rungsprozess, der allen Stakeholdern einen qualitati­ven und dauerhaften Erfolg sichert.

  • Eine kraftvolle Unternehmenskultur
  • Die Entwicklung von starken mitbestimmenden
  • Persönlichkeiten
  • New-Leadership-Kultur
  • Wertschätzung
  • Vertrauen
  • Wettbewerbsfähigkeit
  • Innovationsfähigkeit und
  • Anpassungsfähigkeit

Das sind weitaus anspruchsvollere Herausforderun­gen als die Anschaffung von neuer Technologie oder die Entwicklung neuer Businessmodelle. Doch tragen genau diese Punkte – Kultur und Führung– zum Gelin­gen einer digitalen Transformation bei. Führungskräfte sind hier besonders gefragt und müssen als Vorbilder Integrität vorleben und den Purpose aktiv mittragen, um die Glaubwürdigkeit des Unternehmensleitbildes zu unterstützen.

Authentischer Unternehmenspurpose performt
Ein Unternehmenspurpose, der sich in einem glaub­würdigen Wertesystem ausdrückt, gibt zugleich Orien­tierung und Richtung in einer unübersichtlichen und komplexen Welt. Stabile und gelebte Werte sind für alle Stakeholder ein wichtiger Antreiber und Motivation für Zufriedenheit und Positionierung.

Stabile und gelebte Werte sind für alle Stakeholder ein wichtiger Antreiber und Motivation für Zufriedenheit und Positionierung.

Unternehmenspurposes haben laut einer Studie von Kienbaum bei 75 % der Befragten zu Mitarbeiterzufrie­denheit geführt. Und sogar ganze 67 % der befragten Führungskräfte berichten von einer positiven Erhö­hung der Gesamtperformance in der Organisation. 64 % berichten von einer erhöhten Produktivität, es wurde bei 62 % eine positive Veränderung in der Neukundenge-winnquote festgestellt und bei 57 % ging die Vertriebs­leistung hoch.

Die digitale Transformation und Innovationsfähigkeit sowie die Kundengewinnung sind durch die ethisch-humanistisch getriebene Veränderung signifikant ge­stiegen. Diese Zahlen sind wichtige Indikatoren für eine erfolgversprechende Bewegung durch „Digitale Huma­nisten“ und eine ethische Transformation von Unter­nehmen mit den Mitteln der Digitalisierung.

Digitale und ethische Kompetenz sind zwei enge Begleiter

Die digitale Kompetenz eröffnet ein Grundverständnis für die Technologien und Anwendung von Technik und Tools der Digitalisierung. Mit der digitalen Kompetenz können Fach und Führungskräfte überhaupt erkennen und entscheiden, ob, wozu, wann und in welchem Um­fang Digitalisierung eingesetzt werden soll. Sachlich-fachliche Entscheidungen können so schneller und kompetenter getroffen werden. Durchführung und Um­setzung von Aufgaben und Prozessen können mit der digitalen Nutzung besser erledigt werden.

Die digitale Kompetenz eröffnet ein Grundverständnis für die Technologien und Anwendung von Technik und Tools der Digitalisierung.

Neben der digitalen Kompetenz durch Mitarbeiter und Unternehmen ist eine ethisch-humanistische Kompe­tenz notwendig, um sich darüber klar werden zu können, in welchem Werte-Konstrukt warum und wozu Handlun­gen durchgeführt werden. Die Fähigkeit eines offenen Diskurses und die Möglichkeit, andere Perspektiven einnehmen zu können, sind entscheidend, um gemein­same Werte und Erfahrungen teilen zu können und im Einklang mit dem Unternehmenspurpose integere Ent­scheidungen treffen zu können. Die Gefahr der negati­ven Rückmeldung durch Kunden (Umsatzrückgang) und Mitarbeiter (innere Kündigungen, Fluktuation) ist nicht zu unterschätzen. Transparenter, offener Umgang mit relevanten Themen, die die Stakeholder intern und ex­tern betreffen, ist von entscheidender Bedeutung. Der aktuelle Fall der Softwarefirma Basecamp, die innerhalb von wenigen Tagen 30 % ihrer Belegschaft verloren hat, zeigt das Ausmaß des Risikos. Unklare Kommunikation und Handlungen der CEOs sowie Top-down-Anweisun­gen, keinerlei interne Diskussionen über Politik und ge­sellschaftliche Themen führen zu dürfen. Peinlich, dass die Gründer von Basecamp jahrelang als Branchenvorbil­der galten und sogar Bücher über Führung und Kultur ge­schrieben haben. Ethisches Verhalten ist anspruchsvoll und kann nicht ohne genügend Selbstreflexion gelebt werden. „Walk the talk“ war immer schon nicht einfach.

Solche Fragen werden nicht mehr per „Order di Mufti“ ge­klärt, sondern in gemeinsamen und agilen Formaten wie

  • Workshops,
  • Barcamps,
  • Open-Fridays oder anderen
  • agilen Meeting-Formaten.

Die anstrengende Arbeit des Denkens und der Ausein­andersetzung mit Herausforderungen durch alle Mitar­beiter braucht idealerweise eine humanistische Grund­bildung mit pragmatischer Umsetzungskompetenz. Eine Stärkung der Fachkompetenz braucht unbedingt auch eine Stärkung von persönlichkeitsentwickelnden Kompetenzen.

Veränderung beginnt bei dir selbst
Jede Führungskraft ist gefordert, an der Selbstkom­petenz zu arbeiten. Emotionale Intelligenz, Selbst­reflexion, Achtsamkeit und umsichtiges Handeln ist inzwischen nicht nur für die Mitarbeiterführung ein ge­setzter Standard, sondern schon aus Selbstschutz und Vorbeugung von psychischen Erkrankungen wie De­pression und Burnout essentiell wichtig für den Fortbe­stand des Unternehmens. Und nicht zuletzt essentiell für die eigene Gesundheit und Zufriedenheit.

Eine klare Kommunikation hilft Ihren Mitarbeiter*innen, ein Purpose- und Strategieverständnis zu entwickeln. In besagter Purpose-Studie ist eine deutliche Diskrepanz der Selbstwahrnehmung zu verantwortungsvoller Füh­rung von Führungskräften und Fremdwahrnehmung von Fachkräften zu verzeichnen (Skalenwert 4,7 zu 3,9).

Ein regelmäßiges Feedback zur Selbstreflexion von Mit­arbeitenden und Stakeholdern hilft der Führungskraft, der Rolle des Vorbildes und der Triebfeder für eine ethi­sche Transformation gerecht zu werden.

Je menschlicher wir uns zeigen, desto höher ist der Ver­trauenswert, die Glaubwürdigkeit unserer Person, so­wie unsere persönliche Wirksamkeit. Beherrschen Sie die Digitalisierung und stellen Sie den Menschen in den Vordergrund – wie ein digitaler Humanist.

Veränderung beginnt immer bei dir selbst.

Über die Autorin
Mela Chu ist digitale Humanistin, CEO und Gründerin der Innovationsberatung BLCKSWN, die sich auf den Menschen in der digitalen Transformation speziali­siert hat.
Mela Chu ist zudem engagierte Dozentin für Digitale Transformation, New Leadership und Design Thin-king. 2021 erscheint ihr Buch zum digitalen Huma­nismus.

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