Bleiben oder gehen? Konflikte als Chance

Schwerpunkt Konflikte

Klaus Bongardt
© P4

von Klaus Bongardt

Schon Winston Churchill wusste: „Wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, ist einer von ihnen überflüssig.“ Dennoch existieren in deutschen Unternehmen vor allem zwei Arten der Konfliktbewältigung: Sie werden im Dienste vermeintlicher Harmonie totgeschwiegen oder aber so schnell wie möglich beseitigt. Leider bleibt dabei das Konflikten innewohnende Entwicklungspotenzial ungenutzt: Offen angesprochene Unstimmigkeiten können zum echten Wachstumsimpuls werden – für das Unternehmen als Ganzes oder die einzelne Fach-/Führungskraft.

Digitaler Wandel, disruptive Entwicklungen und das rasante Auftauchen von Bedrohungen für das eigene Geschäftsmodell fordern häufig schnelle Aktionen auf unsicherem Terrain. Rollen und Funktionen in der Organisation verändern sich, Austausch findet über Hierarchie- und Abteilungsgrenzen hinweg statt. Klare Aussagen zur Sache, zu Fakten und Erwartungen sind notwendig, gleichzeitig bewegen die Beteiligten sich oft außerhalb ihrer Komfortzone. Daraus können Konflikte entstehen, die keinesfalls im Keim erstickt werden sollten.

Führen im Konflikt

Für eine konstruktive Nutzung des dem Konflikt innewohnenden Potenzials braucht es Führungskräfte, die einen Konflikt nicht nur erkennen, sondern auch ansprechen. Gleichzeitig benötigt es ein Betriebsklima, dass auch den Mitarbeitenden die offene Ansprache von Unstimmigkeiten ermöglicht. Geeignet ist hier ein moderierender Führungsstil, der harte Aussagen bei den Fakten zulässt, dabei aber stets auf die Trennung zwischen Sache und Person achtet. Beste Grundlage dafür ist eine vertrauensvolle und respektvolle Beziehung unter sämtlichen Beteiligten.

Dazu gehört auch eine gesunde Kritikfähigkeit. Denn Kritik ist weit mehr als eine Unmutsäußerung: Sie ist weder eine Beleidigung noch ein Angriff, sondern zeugt von Wertschätzung und Interesse am Gegenüber. Konstruktiv eingesetzt kann Kritik eine wichtige Informationsquelle und Anstoß für Veränderung sein. Wer sie nicht hört, verzichtet auf ein Frühwarnsystem für Fehlentwicklungen. Die Fähigkeit zum konstruktiv kritischen Dialog ist daher eine wichtige Führungskompetenz – sowohl in der aktiven als auch in der passiven Rolle.

In gesunden Unternehmen wird Kritik als eine Form des Feedbacks begriffen. Bleibt dieses aus, herrschen also vor allem Harmonie und Einstimmigkeit, ist dies oft ein Warnsignal: Konfliktfreiheit ist in vielen Fällen ein Zeichen von Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit, Konformitätsdruck, Betriebsblindheit oder Zeitnot. Doch wissenschaftliche Studien zur Qualität von Entscheidungen zeigen: Wenn sich die Mitglieder einer Gruppe uneinig sind, diskutieren sie ausführlicher, tragen dabei mehr Informationen zusammen, wägen eine Vielzahl von Alternativen ab und kommen so zu besseren Ergebnissen. Dazu benötigt es allerdings eine offene Atmosphäre und die Bereitschaft aller Beteiligten, sich an die Regeln des fairen Diskurses zu halten. Zu diesem Klima beizutragen ist eine wichtige Aufgabe moderner Führungskräfte.

Unlösbare Konflikte als Motor der Persönlichkeitsentwicklung

Erweist ein Konflikt sich als unlösbar, verbirgt er oft ein vollkommen anderes Entwicklungspotenzial. Denn hinter unlösbaren Konflikten steckt oft ein Dissenz hinsichtlich grundsätzlicher Einstellungen und Werte. Diese Haltungen bleiben meist so lange im Hintergrund, bis sie durch eine konkrete Situation infrage gestellt werden. Bleibt es bei einem Einzelfall, ist das wegzustecken – doch fortgesetzte Werteverletzung macht unzufrieden und in einigen Fällen sogar krank. Dauerhaftes Unwohlsein, Magen- oder Kopfschmerzen am Arbeitsplatz sind oft ein deutliches Zeichen für: „Hier stimmt etwas nicht, hier handelst du gegen deine eigenen Überzeugungen und Werte.“

Wer diese inneren Konflikte nicht verdrängt, sondern sensibel wahrnimmt und als Signalgeber schätzt, stößt auf ungeahnte Entwicklungsmöglichkeiten: die Auseinandersetzung mit dem eigenen Wertesystem. Was ist mir wirklich wichtig? Woran glaube ich? Was motiviert mich? Als was für einen Menschen verstehe ich mich? Wer die Antworten auf diese Fragen findet, macht einen großen Schritt hin zu größerer Authentizität und beruflicher Zufriedenheit. Denn wenn die eigenen Werte maßgeblich von den Unternehmenswerten abweichen, ist dieser Wertekonflikt kein lösbares Problem, sondern ein Trennungsgrund. Hier gilt der alte Spruch „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“: Wer seine Werteprioritäten kennt, kann sein künftiges berufliches Handeln an den aktuell persönlich relevanten Werten ausrichten – auch wenn dies die Trennung vom aktuellen Arbeitgeber und die Suche nach einem passenderen neuen Partner bedeutet. Wenn sich keine Lösung im Innen finden lässt, hilft manchmal nur der Weg in ein neues Außen.

Kontakt: www.p4career.de

Klaus Bongardt ist Gesellschafter und Experte für Karriereberatung und Einzel-Outplacement des Beratungsunternehmens P4 Career Consultants.

P4 ist Kooperationspartner des DFK im Bereich Outplacement.

Nach oben scrollen