Zu Besuch in einem der modernsten Gaskraftwerke Europas

Die RG Süd vor dem Kraftwerk

Am Kraftwerksstandort Irsching östlich von Ingolstadt könnten in den betriebsfähigen Stromerzeugungsanlagen im ölbefeuerten Block 3 und den beiden gasbetriebenen GuD (Gas-und Dampf)-Blöcken 4 und 5 insgesamt 1.830 MW erzeugt werden – ausreichend, um mehr als 1,1 Mio. Menschen mit elektrischer Energie zu versorgen. Dennoch erzeugen die Anlagen nur selten Strom. Die Teilnehmer des DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte konnten einen Eindruck von dieser Anlage gewinnen und gleichzeitig der Frage nachgehen, weshalb die modernsten Gaskraftwerke Europas bzw. der Welt stillstehen müssen. Der Leiter des Kraftwerks, Oliver Schwadtke, hatte persönlich die Information sowie die Führung der DFK-Teilnehmer übernommen. Dadurch erhielten sie beindruckende Einblicke in die Auswirkungen der Energiepolitik zugunsten regenerativer Energieerzeugung.

Das Kraftwerk Irsching hat eine lange und wechselvolle Geschichte. 1969 als schwerölbefeuerte Anlage errichtet, wurde sie in den 70er Jahren auf umweltfreundlichere Brennstoffe umgerüstet: leichtes Heizöl und Erdgas. Der heute noch betriebsfähige Block 3 ist 1974 mit 415 MW Leistung in Betrieb gegangen. Ab Ende der 90er Jahre wurde aufgrund vorhandener Kernenergie die Anlage regelmäßig zur Deckung der Spitzenlast eingesetzt. Aufgrund des weiter steigenden Energiebedarfs begann im Jahr 2006 der Neubau der Kraftwerksblöcke 4 und 5. Bereits 2010 ging Block 5 mit 846 MW ans Netz, mit einem Wirkungsgrad von 59,7 % eine der modernsten Gas- und Dampf (GuD)-Anlagen Europas, und ein Jahr später folgte Block 4 – mit 561 MW mit einem noch besseren Wirkungsgrad von 60,4 % eine der effizientesten GuD-Anlagen weltweit. Eigentlich sollten die beiden Blöcke mehrere Tausend Stunden jährlich Strom produzieren. Doch die Nachfrage nach Mittel- und Spitzenlast stieg nicht wie erwartet an. Beide Kraftwerke sind seit 2013 nur noch „Reserve“. Grund: die Energiewende. Die Einsatzzeit von Irsching 5 ging z.B. von 100 Stunden im Jahr 2016 auf nur noch 15 Stunden im Jahr 2018 zurück. Die deshalb bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) beantragte Stilllegung der Blöcke wurde von der zuständigen Behörde jeweils strikt abgelehnt. Dem Unternehmen entstehen, so Schwadtke, wegen dieses Reserve-Zustands jährlich erhebliche finanzielle Verluste.
Oliver Schwadtke muss daher mit seiner Mannschaft jederzeit für einen Einsatz gewappnet sein. Die drei Blöcke werden regelmäßig gewartet und auch kurzzeitig in Betrieb genommen, um die Erzeugung in Notfällen sicherstellen zu können. Einen Tag nach der Besichtigungstour war es wieder so weit. Block 3 soll getestet werden. Dazu wird u. a auch der riesige Kessel, der an der Decke des Kesselhauses aufgehängt ist und sich bei Betrieb nach unten ausdehnt, mit warmer Luft getrocknet, um ein Rosten zu verhindern. Dies ist nur eine der vielen Tätigkeiten, um die Betriebsfähigkeit sicherzustellen.

Und weil das alles noch nicht genug ist, wurde Ende 2018 vom Netzbetreiber TenneT der Auftrag gegeben, ein neues 300-Megawatt-Gaskraftwerk, den Block 6, zu errichten. Dieses Irsching 6 soll ab dem 1. Oktober 2022 in besonderen Notsituationen als „Sicherheitspuffer“ in der Stromversorgung bereitstehen. Es wird ausschließlich zur Abdeckung von Spitzenlast gebaut, um die schwankenden Einspeisungen von Windkraft- und Solaranlagen auszugleichen. Die Kosten für das neue Werk werden voll von den Stromkunden getragen.

Schwadtke und seine Mitarbeiter freuen sich auf diese Herausforderung, weil am Standort dann doch wieder Energie erzeugt wird und alle ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen können. In diesem Zusammenhang lud er die Besuchergruppe zur Besichtigung nach Fertigstellung der neuen Anlage ein.

Bei dem Rundgang durch Kraftwerksanlagen einschließlich der Turbinenhallen und der zentralen Warte konnten die Teilnehmer einen großartigen Eindruck von der Größe der Blöcke gewinnen. Zum Abschluss ging es hinauf auf das Dach des Kesselhauses von Block 3 in einer Höhe über 80 m. Von dort oben bot sich eine grandiose Aussicht auf die gesamte Anlage, die Donau und die Umgebung.

Alle Teilnehmer waren beeindruckt von den vielfältigen Einblicken und haben erfahren, welche Auswirkungen die Energiewende auf langfristig zu tätigende Investitionen hat. Unser aller Dank gilt Oliver Schwadtke für die ausführlichen Erläuterungen und Informationen.

Rudolf Schmatz

Bildquelle: © Thilo Bartsch

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