Die Einführung von Kurzarbeit bei Leitenden Angestellten über eine Sprecherausschussvereinbarung nach § 28 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SprAuG

Nils Schmidt
DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte
Vorstand
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Intro

Kurz nach dem Lock Down im März 2020 haben die ersten Unternehmen begonnen, nach Wegen zu suchen, um die finanziellen Ressourcen zu schonen und die Mitarbeitenden an Einsparmaßnahmen zu beteiligen.

Bei Leitenden Angestellten lag der Fokus entweder auf der Unterzeichnung von „freiwilligen“ Gehaltsverzichtserklärungen oder aber auf der Beantragung von Kurzarbeitergeld. Da die allermeisten Leitenden Angestellten aber eine solche arbeitsvertragliche Grundlage nicht in ihren individuellen Verträgen geregelt haben bzw. hatten, wurde versucht über die Sprecherausschüsse und eine Sprecherausschussvereinbarung nach § 28 SprAuG die entsprechende Legitimation herbeizuführen.

Rechtliche Bewertung DFK

Der DFK hat den Sprecherausschüssen, die sich mit dieser Fallkonstellation an uns gewandt haben, zunächst geraten zu klären, ob der Sprecherausschuss eine solche Richtlinie überhaupt abschließen möchte und zu bewerten, welche Auswirkungen dies dann haben wird.

Insbesondere stellte sich hier die Frage, ob in der Vergangenheit die Konzernführung bereit war, Sprecherausschussvereinbarungen für Leitende Angestellte abzuschließen oder dies bislang verweigert hat.

Nunmehr eine Sprecherausschussvereinbarung mit Nachteilen für die Leitenden Angestellten zu vereinbaren, wenn zuvor in „besseren Zeiten“ die Unternehmensführung nicht bereit war, Vereinbarungen zum Vorteil für Leitende Angestellte abzuschließen, könnte die Stellung des Sprecherausschusses erheblich gefährden und die Akzeptanz bei den Leitenden Angestellten erheblich verschlechtern.

Der DFK hat daher zunächst empfohlen, dringend eine Umfrage bzw. einen Beschluss der Leitenden Angestellten zu erwirken, dass der Sprecherausschuss überhaupt eine solche Richtlinie im Sinne bzw. Namen der Leitenden Angestellten abschließen soll bzw. kann.

Wichtig war, dass sich der Sprecherausschuss entsprechend abgesichert hat!

Argumente gegen eine Kurzarbeit von den Leitenden Angestellten aus allen anderen Unternehmen sind und waren bereits immer, dass die Führungskräfte durch die variablen Zielvereinbarungen und die Reduzierungen in solchen Zeiten bereits einen erheblichen Beitrag leisten. Dieser würde so dann noch zusätzlich auf die Leitenden Angestellten zukommen. Hinzu kommt an dieser Stelle auch noch die Frage, ob sich die Arbeitszeit bzw. die Arbeit der Leitenden Angestellten tatsächlich auf Null reduziert. Wahrscheinlich wird nämlich die Arbeit gar nicht weniger und die Leitenden Angestellten werden weiterarbeiten, obwohl man in Kurzarbeit ist. Es zeigt sich in den Formulierungen bereits, dass bestimmte Bereiche ja herausgenommen werden sollen oder eben nur anteilig die Kurzarbeit eingeführt werden soll. Wer will dies aber festlegen und welche Regeln sollen hierfür tatsächlich gelten? Hier bedarf es klarer Regelungen und die Unternehmensführung sollte darstellen, welche Bereiche und warum diese betroffen sein sollen. Der Sprecherausschuss sollte in der Richtlinie keine pauschale Möglichkeit für Kurzarbeit eingehen.

Im konkreten Fall würde zwar die Kurzarbeit aufgestockt werden, so dass unterm Strich bis zu 100 % des Nettoentgelts gezahlt werden, so dass kein Nachteil, sondern eine Finanzierung durch den Staat erfolgt. Dies ist sicherlich als legitimes Mittel anzusehen. Dann sollten aber zwingend Reduzierungen unter 100 % des Nettolohns vermieden werden. Ansonsten kommt es durch die Vereinbarung zu erheblichen Nachteilen bei den Leitenden Angestellten, in dem die Thematik variable Vergütung dann noch zusätzlich eine erhebliche Reduzierung aufweisen wird. Es muss gefragt werden, ob die Leitenden Angestellten durch Kurzarbeit und nur anteilige Aufstockung und variable Vergütungsnachteile nicht viel stärkerer benachteiligt werden als die Tarifmitarbeiter oder Außertariflichen Angestellten.

Speziell zum Thema Sprecherausschussrichtlinie zur Kurzarbeit ergibt sich aber noch ein weiteres Problem. Grundsätzlich kann eine Kurzarbeit bei Leitenden Angestellten von der Unternehmensführung nur dann umgesetzt werden, wenn der / die Leitenden Angestellte dem zustimmt. Es gibt Arbeitsverträge von Leitenden Angestellten, die bereits Kurzarbeiterregelungen enthalten. Dann bedarf es aber keiner Richtlinie mehr des Sprecherausschusses.

Dies vorangestellt und unterstellt ergibt sich die Frage, warum will die Unternehmensführung eigentlich eine Sprecherausschussrichtlinie abschließen, wenn es sowieso individueller Regelungen mit den einzelnen Leitenden Angestellten entweder bedarf oder diese bereits vorhanden sind.

Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat in den letzten Jahren eine deutliche Kehrtwende gemacht. Danach können Betriebsvereinbarungen auch negativ in Arbeitsverträge eingreifen und dort festgelegte Rechte und Pflichten verändern. Dies bedeutet konkret, dass eine Betriebsvereinbarung zum Beispiel eine variable Vergütung von individuellen Zielen auf Unternehmensziele umstellen kann. Nach der Rechtsprechung bedarf es dafür nicht einmal eines Vorbehalts in den Arbeitsverträgen, sondern es ist ausreichend, wenn es sich bei den Arbeitsverträgen um sogenannte allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die damit Betriebsvereinbarungsoffen sind.

Dies bedeutet, dass durch eine Sprecherausschussvereinbarung wie die vorliegende eine Änderung der Arbeitsverträge eintreten kann. Mithin regelt der Sprecherausschuss für alle Leitenden Angestellten unabhängig von deren Willen die Geltung von Kurzarbeit und die dazugehörigen Bedingungen. Der einzelne Leitenden Angestellte kann dann im schlimmsten Fall nicht mehr dagegen vorgehen und wird gezwungen in Kurzarbeit zu gehen.

Es liegt bereits ein Urteil des BAG vor, wonach eine Sprecherausschussvereinbarung negativ in Betriebsrentenordnungen und damit individuelle Ansprüche eingegriffen hat. Daher ist es nicht fernliegend, dass diese Sprecherausschussvereinbarung die individuellen rechte der Leitenden Angestellten negativ verändern kann. Ohne eine Regelung zur Kurzarbeit kann der Arbeitgeber einen Leitenden Angestellten nicht einseitig in Kurzarbeit zwingen. Mit dieser Richtlinie könnte er es versuchen und dann im Sinne von § 28 Abs. 2 SpAuG auch umsetzen.

Die vorbezeichnete Rechtsprechung ist zwar unter den Senaten des BAG umstritten, so hat bereits ein Senat eine gegenteilige Auffassung vertreten, jedoch bringt dies aber derzeit keine Klarheit, da die Urteile der anderen Senate in Rechtskraft erwachsen sind.

Zusammenfassung und Rat

Vor diesem Hintergrund kann der Verband derzeit nur dringend raten, dass die Richtlinie nicht abgeschlossen wird. Hinzu kommt, dass ohne eine Zustimmung von allen Leitenden Angestellten der Sprecherausschuss eine solche negative Regelung nicht abschließen sollte. Daher sollte zumindest ein Beschluss aller Leitenden Angestellten erwirkt werden.

Argument kann hier sein, dass der Arbeitgeber eine solche Regelung sowieso nur mit jedem / jeder Leitenden Angestellten individuell abschließen kann und es keiner Sprecherausschussvereinbarung bedarf. Im Zuge der Argumentation des Unternehmens wird man dann wohl erkennen können, ob die zitierte Rechtsprechung hier bekannt ist und gerade die negative Folge bewusst gewollt ist.

Als Mittel zur Unterstützung im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit kann der Sprecherausschuss im Rahmen eines Briefs an die Leitenden Angestellten einen Aufruf zum Abschluss der individuellen Vereinbarung bei den Leitenden Angestellten machen.

An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob der Sprecherausschuss an der freiwilligen Gehaltskürzung beteiligt wurde, oder ob diese ohne Abstimmung verschickt wurde. Im letzteren Fall wäre zu fragen, warum eine Mitwirkung hierbei unterlassen wurde.

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