Auf der Suche nach dem / der Arbeitnehmer-In – „Fußfesseln“ erlaubt?

Können Arbeitgeber durch Rückzahlungsklauseln und verlängerte Kündigungsfristen Mitarbeiter-Innen an sich binden?

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Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Oliver Flesch

1. Mitarbeiter finden und binden

In bestimmten Branchen ist es gar nicht so einfach, gute Mitarbeiter zu finden und diese, falls gewünscht, längerfristig an das Unternehmen zu binden. In jüngster Vergangenheit gab es schon vermehrt Beratungsanfragen beim DFK, wonach bestimmte „Schlüsselmitarbeiter“ etliche Jahre nach Abschluss des Arbeitsvertrages nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit einer Karenzzeit von zwei Jahren unterzeichnen sollten.  Begründet wurde dies vom Unternehmen damit, dass man dem Arbeitskräftemangel vorbeugen und gute Mitarbeiter langfristig halten möchte. 

Das Halten von guten Mitarbeitern, die sich mit dem Unternehmen identifizieren rückt immer mehr in den Fokus der HR-Verantwortlichen.

Eine langfristige Verbundenheit eines Mitarbeiters zu seinem Unternehmen herzustellen ist für viele Führungskräfte nicht leicht. Für die Mitarbeiterbindung sind viele Faktoren wie zum Beispiel attraktive Vergütung, Gestaltungsfreiheit, Flexible Arbeitszeiten (Home-Office), Vertrauen, Sinnentfaltung, Wertschätzung, Fairness und Chemie mit den Vorgesetzten ausschlaggebend.

Oliver Flesch

2. Arbeitnehmer müssen Personalvermittlungsprovisionen / Headhuntergebühren nicht erstatten

Nicht selten nehmen Unternehmen (insbesondere bei der Besetzung von Führungspositionen) die Dienste von Personalvermittlern und Headhuntern in  Anspruch. Hierbei lassen sich die Headhunter ihre Dienste mit durchschnittlich  20 – 30 % einer Jahresvergütung des angeworbenen Mitarbeiters vergüten.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil am 20.06.2023,(AZ: 1 AZR 265/ 22) in einem Fall entschieden, dass eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitgeber eine von ihm für das Zustandekommen des Arbeitsvertrages an einen Personalvermittler gezahlte Vergütungsprovision zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist beendet, nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.

§ 307 Absatz 1 Satz 1 BGB lautet:

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

In dem Fall schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag auf dessen Grundlage der Arbeitnehmer ab dem 01.03.2021   bei dem Arbeitgeber tätig wurde. Der Arbeitsvertrag kam durch die Vermittlung eines Personaldienstleisters zustande, den der Arbeitgeber beauftragt hatte. Der Arbeitgeber zahlte eine Vermittlungsprovision in Höhe von 4461,60 € und weitere 2230,80 € sollten nach der  im Arbeitsvertrag des Klägers vereinbarten sechsmonatigen Probezeit fällig sein. 

Nach einem § 13 im Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer war der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, sofern das Arbeitsverhältnis nicht mindestens 14 Monate (bis zum 30.06.2022)  bestehen und unter anderem – aus von dem Arbeitnehmer  „zu vertretenden Gründen“ von ihm selbst beendet worden wäre.

Der Arbeitnehmer kündigte fristgerecht innerhalb der Probezeit sein Arbeitsverhältnis zum 30.06.2021 und der Arbeitgeber behielt unter Verweis auf § 13 des Arbeitsvertrages einen Teilbetrag in Höhe von 810 € netto  vom Junigehalt 2021 zurück. Diesen Betrag klagte der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht ein, woraufhin der Arbeitgeber im Wege einer sogenannten Widerklage die komplette Vermittlungsgebühr gegenüber dem Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht geltend machte.  Das BAG und die Vorinstanzen gaben der Klage des Arbeitnehmers statt, die Widerklage des Arbeitgebers hatte keinen Erfolg.

Nach Auffassung der Erfurter Richter benachteiligt die Abwälzungsklausel in § 13 des Arbeitsvertrages den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne von § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB.

Nach Auffassung der Richter handelt es sich bei der Regelung in § 13 des Arbeitsvertrages um eine kontrollfähige Einmalbedingung im Sinne von § 310 Absatz 3 Nr.2 BGB, die den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Der Arbeitnehmer wird durch eine solche Klausel in seiner garantierten Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Absatz 1 Satz 1 GG)  beeinträchtigt, ohne dass dies durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt werde.

Arbeitsverträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sind Verbraucherverträge im Sinne von § 310 Absatz 3 BGB. Nach § 310 Absatz 3 Nr. 2 BGB findet § 307 BGB bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn Sie nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Verbraucher auf ihre Formulierung keinen Einfluss nehmen konnte (sog. Einmalbedingungen, vgl. BAG  Urteil vom 26.10.2017 (6 AZR 158/ 16)).

Der Arbeitgeber habe grundsätzlich das unternehmerische Risiko zu tragen, dass sich von ihm getätigte finanzielle Aufwendungen für die Personalbeschaffung nicht lohnen, weil der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beendet.  Der Arbeitgeber durfte somit die an den Personalvermittler gezahlte Provision nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen.

3. Unangemessene Verlängerung einer Kündigungsfrist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Einmalbedingungen 

Bereits in seinem Urteil vom 26.10.2017 hatte das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass wenn die gesetzliche Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder sogenannten Einmalbedingungen erheblich verlängert wird (hier für beide Seiten auf drei Jahre),  kann darin eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne von § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB liegen, wenn die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in gleicher Weise verlängert wird. 

Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB  wird angenommen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten eines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren.

Klargestellt hatte das BAG, dass die freie Berufswahl (Art. 12  I GG) sich nicht in der Entscheidung zur Aufnahme eines Berufes erschöpft. Sie umfasst darüber hinaus auch die Fortsetzung und Beendigung eines Berufes. Die freie Arbeitsplatzwahl besteht neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung auch in dem Willen des Einzelnen, die Beschäftigung beizubehalten oder aufzugeben.

Vor diesem Hintergrund empfehlen wir nach wie vor die Vertragsberatung durch unsere DFK-Rechtsanwälte / Innen vor Vertragsunterzeichnung!

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