Der Weg vom Bett zum Heimarbeitsplatz ist mit Betriebsweg vergleichbar

Mit seinem Urteil aus Dezember 2021 (Urteil des Bundessozialgerichts vom 08.12.2021, Az.B2U4/21R) hat das Bundessozialgericht (BSG) die vorinstanzliche Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen aufgehoben. Das höchste Sozialgericht hat damit entschieden, dass Arbeitnehmende, die morgens auf dem erstmaligen Weg vom Schlafzimmer zum Heimarbeitsplatz (Homeoffice) stürzen, unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen.

Eine wichtige Entscheidung für alle Beschäftigten, die aktuell und auch zukünftig ihre Arbeit aus dem Homeoffice verrichten. Schließlich lauern Unfallrisiken auch auf den kürzesten Wegen.

Das BSG hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem ein Gebietsverkaufsleiter, der ursprünglich im Außendienst tätig war, auf dem Weg von seinem Bett in das eine Etage tieferliegende Homeoffice verunfallte und sich schwer verletzte. Konkret stürzte er die Wendeltreppe hinab und zog sich einen Brustwirbeltrümmerbruch zu.

Wenn er im Homeoffice arbeitete, nahm der verletzte Kläger seine Arbeit unmittelbar nach dem Aufstehen und ohne vorher zu frühstücken auf.

Die beklagte Berufsgenossenschaft hatte den Unfall nicht als Arbeitsunfall anerkannt, da der Versicherungsschutz in einer Privatwohnung erst mit Erreichen des häuslichen Arbeitszimmers beginne.

Dies sah das zuständige Sozialgericht Aachen in der 1. Instanz nicht so und gab der Klage statt. Das Sozialgericht war der Ansicht, wie nun auch das BSG, dass der Unfall auf einem versicherten Betriebsweg stattfand.

Das LSG Nordrhein-Westfalen sah dies anders und bewertete den Weg vom Bett zum Heimarbeitsplatz als eine unversicherte Vorbereitungshandlung, die der eigentlichen versicherten Tätigkeit nur vorausgehe.

Die Klägerseite argumentierte u.a. mit der seit nunmehr zwei Jahren vorliegenden Pandemie-Situation. Ein Großteil der Arbeitnehmenden (Anm. der Redaktion: … die entsprechend privilegiert sind und von zu Hause aus arbeiten können) arbeite aktuell und zukünftig von zu Hause aus. Diese Personen müssten auch im Homeoffice auf dem Weg zur Arbeitsaufnahme wie auf dem Betriebsweg versichert sein. Ansonsten würde eine Schlechterstellung gegenüber den Arbeitnehmenden im Betrieb vorliegen. Das BSG folgte dieser Argumentation und erkannte bei dem Kläger einen Arbeitsunfall an. Die Treppennutzung, so das BSG, um in die Räume des Homeoffices zu gelangen, habe allein der erstmaligen Arbeitsaufnahme gedient und sei deshalb als Verrichtung im Interesse des Arbeitgebers als Betriebsweg versichert gewesen.

Das Gericht stellte auf die sog. „Handlungstendenz zur beruflichen Tätigkeit“ ab.

Die ersten Schritte zur Gleichstellung der Beschäftigten, die im „Homeoffice“ arbeiten, mit denen, die vor Ort im Betrieb tätig sind, sind dennoch gemacht

Jedoch ist nicht jeder Unfall zu Hause gleich ein Betriebsunfall!
So urteilte das Bayerische Landessozialgericht (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12.05.2021, Az. L 3 U 373/18) z. B., dass ein Unfall im Homeoffice, der sich im rein persönlichen Wohnbereich der versicherten Person ereignet und dessen wesentliche Ursache eine spezifische Gefahr der eigenen Häuslichkeit ist, keinen Arbeitsunfall darstellt.

Im spezifischen Fall hatte ein Arbeitnehmer die Räume des Homeoffices verlassen, um im Keller die Kesselanlage zu überprüfen, die beim Hochstellen der Temperatur explodiert ist.

Wie auch im Betrieb ist auch im Homeoffice nicht jeder Unfall ein Betriebsunfall!

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