Endlich Zähne für den Papiertiger
Essen, 11.10.2021 – Der DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte bewertet den Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Lohntransparenz und „Fair Pay“ überwiegend positiv. „Endlich gibt es eine aussichtsreiche Initiative, um den Gender Pay Gap zu schließen. Der Vorschlag, zu dem wir als DFK bei der EU-Kommission Stellung genommen haben, enthält wichtige Elemente, die dem deutschen wenig bis gar nicht hilfreichen Entgelttransparenzgesetz endlich zu mehr Wirksamkeit verhelfen können“, so DFK-Vorstand Nils Schmidt.
Stimmt das Europaparlament und der Europäische Rat diesen Vorschlägen zu, müsste auch das deutsche Entgelttransparenzgesetz, das im Jahr 2017 verabschiedet wurde, spürbar verschärft werden. „Die EU-Richtlinie fasst viele Regelungen, die auch im Entgelttransparenzgesetz enthalten sind, strenger. Zum Teil schafft sie aber auch gänzlich neue Vorgaben. Da das deutsche Gesetz so gut wie keinen Effekt hatte, ist dies auch der konsequente Schritt: Europa verleiht dem Papiertiger namens Entgelttransparenzgesetz endlich Zähne“, so Sebastian Müller, DFK-Ressortleiter Europapolitik & Public Affairs.
Nach 4 Jahren der Anwendung des Entgelttransparenzgesetzes in der Praxis lässt sich nach den Erfahrungen des DFK festhalten: Das Gesetz zur Entgelttransparenz spielt praktisch keine nennenswerte Rolle, da sich die Wenigsten trauen, den Auskunftsanspruch geltend zu machen oder der Anwendungsbereich des Gesetzes gar nicht gegeben ist. Die Themen Gehalt und Gehaltshöhe sind in Deutschland weiter tabuisiert und viele Arbeitsverträge sehen weiterhin ein Stillschweigen darüber vor, was für eine Hemmschwelle bei den Beschäftigten sorgt. Der Auskunftsanspruch enthält kein Recht auf eine Angleichung der Gehälter, wenn Unterschiede sichtbar werden. Beschäftigte können die Informationen lediglich nutzen, um faire Bezahlung einzufordern. Der Nachweis einer Diskriminierung ist aber nach wie vor schwierig und aufwändig. So hat sich im Ergebnis am Gender Pay Gap zu wenig getan.
Zu Recht kommt der Vorstoß der Kommission auch gerade jetzt, denn die Auswirkungen der Pandemie werden Ungleichheiten wohl verstärken. Wenn Frauen, wie die Kommission feststellt, aufgrund der Schließung von Schulen und Betreuungs- und Pflegeaufgaben die hart erkämpften Fortschritte auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter gefährden, ist dem Einhalt zu gebieten.
Am Ende ist Transparenz der erste und wichtigste Schritt auf dem Weg zur Entgeltgleichheit: Die eigenen Entgeltstrukturen gilt es zu prüfen. Erst dann kann man herausfinden, ob es einen unternehmensinternen Gender Pay Gap gibt und ob Handlungsbedarf besteht. Oftmals vermutet ein Unternehmen gar nicht, dass es ungerecht bezahlen könnte und ist nach Prüfung überrascht, dass es doch so ist. So fällt auch die „gefühlte Lohngerechtigkeit“ und die tatsächliche oft auseinander.
Gerade auch ein Land wie Deutschland hat Entgelttransparenz nie gelernt, so dass es sicherlich einige Umgewöhnung braucht. Schmidt: „Die Höhe des Einkommens ist gemeinhin immer noch streng vertraulich – selbst mit Freunden oder Verwandten spricht man eher nicht über die Verdiensthöhe, erst recht nicht unternehmensintern. Die entsprechenden arbeitsvertraglichen Klauseln unterstützen nur ein ohnehin vorhandenes, über lange Jahre gelerntes Verhalten, den Verdienst streng vertraulich zu behandeln. Um dies zu ändern, braucht es ein starkes Signal, den klaren Willen und das Offenlegen der vielen Vorteile der Transparenz. Ein klares Regelwerk, von der Einstellung, der Gehalts-Analyse über Stellenbewertungen bis zu konkreten Umsetzungsschritten.“
Auf der anderen Seite ist und bleibt es wichtig, den Verwaltungsaufwand im Rahmen zu halten. Fair Pay muss Sinn machen und sich letztlich rechnen – es darf kein Bürokratie-Monster werden, welches Unternehmen und ihre Führungskräfte belasten würde. Das wird auch seit vielen Jahren gerade von der Arbeitgeberseite vorgetragen. Dazu Nils Schmidt: „Die Unternehmen, die eine funktionierende Lohnbuchhaltung haben, sollten ohne großen Aufwand erkennen können, wer wie viel verdient und ggf. in welcher Lohngruppe eine Person sich befindet. Unternehmen mit mehreren hundert MitarbeiterInnen können sich schnellstens mittels der HR-Software sagen lassen können, wer in welcher Gehaltsgruppe wieviel verdient. Eine digitalisierte Lohnbuchhaltung dürfte in wirklich jedem kleinen und mittleren Unternehmen umgesetzt sein. Deshalb geht die Diskussion um Bürokratie unserer Ansicht nach am Kern vorbei.“ Umgekehrt könne man fragen, ob uns das Grundrecht nicht einmal diesen kleinen Aufwand wert ist.
Es wird zudem nach der Richtlinie sichergestellt sein, dass Transparenz nicht bedeutet, dass das Gehalt eines Einzelnen offengelegt wird. Müller: „Bestimmungen zur Transparenz bei der Lohnhöhe müssen immer die Privatsphäre von Personen wahren. Die Transparenzmechanismen, die einen Vergleich mit bestimmten und eindeutig identifizierbaren Personen erlauben, sollten ausgeschlossen sein. Und auch dies ist in der Richtlinie umgesetzt. Die Kommission weist ausdrücklich darauf hin, dass spezifische Garantien hinzugefügt werden, um eine direkte oder indirekte Offenlegung von Informationen über einen identifizierbaren Mitarbeiter zu verhindern.“
Es bleibt festzuhalten: Entgeltsysteme und Entgelte zu gestalten und zu vereinbaren ist und bleibt Sache der Arbeitgeber, ArbeitnehmerInnen sowie Tarifvertrags- und Betriebsparteien. Es ist ihre Gestaltungsfreiheit. Und die Grenze der Gestaltungsfreiheit bleibt das Verbot der Entgeltdiskriminierung. Die Richtlinie wird hier nun aber die erforderlichen Klarstellungen bringen: Denn nur wenn das Fair Pay- oder Entgeltgleichheitsgebot eingehalten wird, sind die gewählten arbeitsvertraglichen Vereinbarungen oder tariflichen oder betrieblichen Entgeltsysteme auch rechtmäßig. So hofft der DFK, dass die Richtlinie bald verabschiedet und in nationales Recht umgesetzt wird. Schmidt: „Die Realität der Arbeitswelt muss sich zukünftig an der Rechtslage ausrichten. Stand heute fallen diese viel zu weit auseinander. Dazu braucht es ebenjene handhabbaren, auch verfahrensrechtlichen Regeln, damit Fair Pay besser als bisher durchgesetzt werden kann.“
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