Fehlende „flinke Frauenhände“ diskriminiert männlichen Bewerber

Das Unternehmen erwähnte tatsächlich im Bewerbungsprozess „flinke Frauenhände“ – und nun. Zwar musste in dem Betrieb mit vielen filigranen Teilen gearbeitet werden – das ist aber kein Grund, Männer davon auszuschließen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg in dem Urteil vom 13.12.2022, Aktenzeichen 7 Sa 168/22.

Der heute 42-jährige Stellenbewerber hatte sich auf eine ausgeschriebene Stelle als „Bestücker (m/w/d)“ von Digitaldruckmaschinen eines Modellfahrzeugherstellers beworben. Das Unternehmen ist Hersteller von Modellen wie Pkws, Lkws und öffentliche Verkehrsmittel im Maßstab 1:87. Dabei müssen die Fahrzeugmodelle aus 100 bis 150 Einzelteilen zusammengesetzt werden.  Laut Stellenbeschreibung wurde unter anderem „Fingerfertigkeit/Geschick“ verlangt. Der Bewerber erhielt dann von der Prokuristin des Unternehmens eine schriftliche Absage mit den Worten: „Unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände“. Der Stellenbewerber fühlte sich daraufhin wegen seines Geschlechts diskriminiert und verlangte eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). 

Das LAG sprach dem Bewerber eine Entschädigung in Höhe von 2.500,00 € zu. Die Stellenabsage wegen der fehlenden „flinken Frauenhände“ stelle hier ein Indiz für eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts dar. Das Unternehmen habe dies auch nicht entkräften können. Das Gericht ließ auch nicht den Einwand der Prokuristin gelten, sie habe bei Internetrecherchen Fotos der zu großen Hände des Klägers entdeckt und diese für die Arbeit nicht für geeignet gehalten. Über die tatsächliche Fingerfertigkeit sage dies nichts aus.

Der Kläger hatte inzwischen vor Urteilsspruch eine neue Stelle gefunden, so habe er nur Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 2.500,00 €. Der erlittene Schaden sei dadurch ersichtlich nicht so hoch. Er habe in sozialen Medien zudem über die Absage berichtet, so dass der Arbeitgeber davon abgehalten werde, künftig weitere Absagen ähnlich zu begründen.

Stellenausschreibung und Absageschreiben

Der Fall zeigt einmal mehr, dass es nichts gibt, was es nicht gibt. Unternehmen sollten gelernt haben, dass eine Diskriminierung in jeder Hinsicht geahndet werden kann. Mit der Stellenanzeige und auch mit dem Absageschreiben darf nicht der Eindruck entstehen, der Arbeitgeber sei nicht offen für alle objektiv geeigneten Bewerber. Auch wenn ein Trainee-Programm Nachwuchskräfte im Blick hat, muss sich die Stellenanzeige dennoch an Bewerber jeden Alters richten. HR muss die Kriterien festschreiben, die frei von Diskriminierung sind. Kontrollfrage hier: Warum sind diese entscheidende Voraussetzungen für die jeweilige Tätigkeit? 

No-Gos sind zum Beispiel:

  • Junge(r) und dynamische(r) MitarbeiterIn 
  • Berufserfahrung von null bis drei Jahren
  • frisch gebacken aus der Ausbildung 
  • Hochschulabschluss nicht älter als ein Jahr 
  • Young Professional
  • Junior Sales Manager
  • Nachwuchsführungskraft

Das ist deshalb auch besonders wichtig, weil eine solche fehlerhafte Formulierung ein Indiz für einen Diskriminierung darstellt und dann Entschädigungsforderungen auch von solchen abgewiesenen Bewerbern drohen, die objektiv nicht über die notwenige Eignung für die Stelle verfügen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.8.2016, Az: 8 AZR 406/14).

Wenn es sich um einen sogenannten AGG-Hopper handeln sollte, muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass die Bewerbung „nicht ernsthaft“ war, sondern sich der Kandidat nur beworben hat, um eine Entschädigung zu bekommen. Der Nachweis eines solchen Rechtsmissbrauchs ist aber nicht so einfach, hier reicht eine Vielzahl erfolgloser sonstiger Bewerbungen und das Führen mehrerer Entschädigungsprozesse nicht aus. Beispielsweise kann eine solche Scheinbewerbung dann vorliegen, wenn die Formulierung nahelegt macht, dass eine Ablehnung provoziert werden soll.

Wenn eine Benachteiligung gerechtfertigt werden soll/muss, dann ist dies nur durch gute Dokumentation möglich: Es ist im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, dass ausschließlich andere, nicht diskriminierende Gründe ausschlaggebend für die Ablehnung waren. Dazu ist auch ein scharfes Anforderungsprofil nützlich: Kriterien wie Ausbildung, Qualifikation und Berufserfahrung ermöglichen eine klare Unterscheidung, wer die Anforderungen erfüllt und wer nicht. Allerdings dürfen nur Anforderungen genannt werden, die auch nachvollziehbar durch Erfordernisse der zu erfüllenden Aufgaben erforderlich sind. 

Jedenfalls ist die Rechtsprechung hinsichtlich – sei es auch nur aus Unachtsamkeit erfolgte – Diskriminierungen weiterhin aufmerksam und sensibel. Das zeigen aktuelle Entscheidungen wie diese hier. Und das ist auch gut so. Aufmerksame, integre und mit Bedacht kommunizierende Unternehmen hatten und haben weiterhin nichts zu befürchten.

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