Kopflose Weiterbildung

(c) Glenn Carstens-Peters / Pixabay

Betriebliche Weiterbildung wird aktuell immer mehr genutzt, um Arbeitgeber attraktiver zu machen. Die neue Rolle kollidiert jedoch oft mit Strategie- und Kommunikationsdefiziten sowie mit dem traditionellen Selbstverständnis des HR-Managements als Partner der Führungskräfte: Mitarbeitende werden zu Stiefkindern von Learning & Development (L&D). Das ist ein Ergebnis des Learning & Development Monitor 2023, für den das Unternehmen Studytube 2.050 HR-Professionals, Führungskräfte & Mitarbeitende befragt hat.

Lernen und Weiterbildung stehen in enger Verbindung zur Situation auf den enger werdenden Arbeitsmärkten. 73% der befragten HR-Verantwortlichen stimmen dem Statement zu „Wenn wir nicht in Weiterbildung und berufliche Weiterentwicklung investieren, dann können wir die benötigten Talente nicht für uns gewinnen und an uns binden.“ 43% der HR-Verantwortlichen finden allerdings, in ihrem Betrieb werde zu wenig Zeit in Schulung und Entwicklung investiert. Nur 44% der HR-Verantwortlichen berichten, dass in ihren Unternehmen Mitarbeitenden ein Tag pro Monat für Weiterbildung zur Verfügung steht.

Das Weiterbildungsparadoxon
Die Talente haben zum Teil eigene Motive, um an Weiterbildungsangeboten teilzunehmen: Und zwar tun dies 47% der Führungskräfte und 45% der Mitarbeitenden, damit sie ihre Funktion besser ausüben können. 35% der Führungskräfte und 34% der Mitarbeitenden bilden sich weiter, um für den Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. 39% der Führungskräfte beschäftigen sich jedoch mit der eigenen Weiterbildung, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, bei den Mitarbeitenden ohne Führungsverantwortung sind es 32%. Hier zeigt sich ein Paradoxon: Weiterbildung soll Mitarbeitende binden, vier von zehn Führungskräften und ein Drittel der Mitarbeitenden nimmt aber an entsprechenden Maßnahmen teil, um die Chancen auf dem externen Arbeitsmarkt zu verbessern.

Keine Strategie
Im Hinblick auf die &D-Strategie und deren Verankerung in der Organisation zeigt die Studie deutliche Defizite: Jedes fünfte Unternehmen kommt nach Angaben der HR-Verantwortlichen ohne klare Strategie aus. Zudem ist die Verbindung von L&D-Strategie und Businesszielen schwach. In nur 28% der Unternehmen sind die Weiterbildungsziele eindeutig an die Unternehmensziele gebunden. Nur 54% der Führungskräfte und 40% der Mitarbeitenden ohne Führungsverantwortung verfügen über konkrete Lern- und Entwicklungsziele.

Versickernde Budgets
Weiterbildung hat neben strategischen Defiziten auch ein Umsetzungsproblem: 92% der HR-Verantwortlichen geben an, dass es in ihrem Unternehmen ein L&D-Budget gibt. Das passt nur bedingt zur Wahrnehmung der Mitarbeitenden. Nur 62% von ihnen ist bekannt, dass es ein solches Budget gibt. Aktuell versickert das Budget auf dem langen Kommunikationsweg durch die hierarchische Kaskade.

Mitarbeitende ohne Führungsverantwortung im toten Winkel
9% der Führungskräfte werden mindestens einmal im Quartal auf das Thema „Learning & Development“ aufmerksam gemacht. Bei den Mitarbeitenden ohne Führungsverantwortung sind es 29%. Führungskräfte haben im zurückliegenden Jahr im Durchschnitt 2,5 Mal an kurzen Lehrgängen oder Kursen teilgenommen, Mitarbeitende 1,9 Mal. Führungskräfte nehmen im Schnitt an einem längeren Ausbildungsgang pro Jahr teil, bei den Mitarbeitenden ist das im Durchschnitt 0,2 (=alle fünf Jahre einer). Coaching kommt mehr als dreimal so häufig bei Führungskräften wie bei Mitarbeitenden ohne Führungsverantwortung vor.

Konflikt zwischen traditionellem Selbstverständnis und aktuellen Zielen
Der Studie zufolge sind Mitarbeitende ohne Führungsverantwortung aktuell noch Stiefkinder der L&D-Verantwortlichen. Im Kontext des strategischen Ziels von L&D, Mitarbeitende zu gewinnen und zu binden, könnte sich das traditionelle Selbstverständnis rächen, demzufolge sich die entsprechenden Verantwortlichen hauptsächlich als Berater und Partner für Führungskräfte verstehen. In den Niederlanden stehen Mitarbeitende und deren Weiterbildungsbedürfnisse wie Potenziale weitaus stärker im direkten Fokus betrieblicher Weiterbildung. In dem Maße, in dem alle Mitarbeitenden stärker in den Fokus betrieblicher Weiterbildung rücken, wird es wichtiger, ihnen Weiterbildungsangebote direkt verfügbar zu machen und sie regelmäßig darüber zu informieren.

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