Bin ich wirklich „leitend“ oder nicht? Diese Frage hören Michael Krekels und ich immer noch sehr häufig, wenn wir Sprecherausschussmitglieder im Rahmen ihrer DFK-Sprecherausschuss-Sondermitgliedschaft beraten.
Aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht ist die Beantwortung der Frage von besonderer Bedeutung, hängt doch von der Antwort ab, welches Vertretungsorgan im Unternehmen für die entsprechende Person zuständig ist.
Denn der Sprecherausschuss ist ausschließlich für die Leitenden Angestellten im Unternehmen zuständig, dem Betriebsrat unterfallen alle übrigen nichtleitenden Arbeitnehmenden (auch, wenn die außertariflich Beschäftigten eigentlich dem Sprecherausschuss näherstehen -Anmerkung des Autors).
Letztendlich definiert das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in § 5 Absatz 3, wer Leitende(r) Angestellte im Sinne des Gesetzes ist!
Damit wäre es eigentlich nicht dem Unternehmen überlassen Angestellte per Arbeitsvertrag, Side Letter oder Urkunde zu Leitenden Angestellten zu ernennen. Dennoch wird der überwiegende Teil der Leitenden auf diesem Weg den aktuellen Status erlangt haben.
Leitend kann eine Person laut Gesetz nur sein, wenn tatsächlich nach innen und außen die Aufgaben und Befugnisse so ausgeübt werden, dass sie den Status als leitend begründen. Das bedeutet, dass durch die Veränderungen von Aufgaben und Befugnissen auch der Status wieder (negativ) vom Arbeitgeber beeinflusst werden kann.
Das Unternehmen hat es somit auch nicht in der Hand den Status „leitend“ einseitig zu entziehen, in dem sie der Person Aufgaben, Funktionen und / oder Vollmachten zulässigerweise entzieht, die das BetrVG als notwendig erachtet.
Letztendlich haben aber die/ der Leitende, der Betriebsrat u/o der Arbeitgeber die Möglichkeit den Status im Wege eines sog. Statusfeststellungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht anzufechten. Das Gericht entscheidet dann anhand der gesetzlichen Kriterien des § 5 Abs. 3 BetrVG. Hierbei soll erwähnt werden, dass der genannte Paragraph seit 1972 (fast) unverändert besteht, obwohl sich die Aufgaben in den über 50 Jahren für Leitende Angestellte grundlegend verändert haben.
Die „Entleitung“ von Leitenden durch das Unternehmen stellt aber eher die Ausnahme als die Regel dar.
Sollten mit dem Status Gehalts- oder andere Benefits verbunden sein, lohnt es sich anwaltliche Hilfe durch die spezialisierten Jurist*innen des DFK in Anspruch zu nehmen. Die Expert*innen des Verbandes prüfen, welche Nachteile sich durch die Maßnahme für Sie ergeben und ob bzw. wie reagiert werden sollte.
In diesem Zuge würde dann auch geprüft werden, ob Sie überhaupt leitend im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sind oder nicht.
Danach ist Leitende(r) Angestellte(r), wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb …
1. zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2. Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
3. regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
§ 5 Abs. 3 Nr. 1: Einstellung und Entlassung
Um als leitend im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG zu gelten, müssen Arbeitnehmende allerdings zur selbständigen Einstellung und Entlassung anderer Arbeitnehmenden berechtigt sein. Einstellungs- und Entlassungsbefugnis müssen kumulativ vorliegen und sich auf einen erheblichen Teil der Beschäftigten beziehen.
vgl. BAG v. 27. September 2001 – 2 AZR 176/00
Entscheidend ist, dass es sich um eine selbständige Entscheidungsbefugnis handeln muss, also der/ die Leitende nicht an die Zustimmung anderer gebunden ist.
Der bloße Vollzug von Entscheidungen der Fachabteilung genügt nicht.
vgl. BAG v. 16.4.2002 NZA 2003, 56
Wichtig: § 14 Kündigungsschutzgesetz ( KSchG) verlangt lediglich eine optionale Einstellungs- und Entlassungsbefugnis.
§ 5 Abs. 3 Nr. 2: Generalvollmacht oder Prokura
Für eine Einordnung nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG muss die leitende Person über eine Generalvollmacht oder Prokura verfügen.
Die Generalvollmacht ist die Vollmacht zur Führung des gesamten Geschäftsbetriebs (s. § 105 I AktG). Die Handlungsvollmacht nach § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) ist lediglich ein Unterfall der Generalvollmacht und zählt daher nicht.
Die Prokura ermächtigt – mit Ausnahme der Veräußerung und Belastung von Grundstücken – zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt (§ 49 HGB). Inhalt und Umfang der durch die Prokura erteilten Vertretungsmacht kann im Außenverhältnis nicht beschränkt werden (§ 50 I HGB).
Die Prokura kann jedoch in der Form beschränkt werden, dass sie nur gemeinsam mit anderen ausgeübt werden kann (Gesamtprokura, § 48 II HGB) oder dass sie sich allein auf den Betrieb einer Niederlassung, die unter einer anderen Firma betrieben wird, bezieht (Niederlassungsprokura, § 50 II HGB).
Ausschlaggebend sind aber nicht nur die mit der Bevollmächtigung verbundenen formellen und umfassenden Vertretungsbefugnisse im Außenverhältnis, sondern auch die damit verbundenen unternehmerischen Aufgaben, um derentwillen dem Arbeit-nehmer die Bevollmächtigung verliehen worden ist.
vgl. BAG v. 25.3.2009 NZA 2009, 1296
Diese unternehmerischen Aufgaben dürfen nach Sinn und Zweck des § 5 III 2 Nr. 2 nicht von einer untergeordneten Bedeutung sein. Eine völlige Deckungsgleichheit der Berechtigung im Innen- und Außenverhältnis ist zwar nicht erforderlich. Leitende(r) Angestellte(r) ist aber nicht, wer im Innenverhältnis gehalten ist, von der Prokura keinen (selbständigen) Gebrauch zu machen, sog. Titularprokurist*in. Prokurist*innen, die ausschließl. Stabs-funktionen wahrnehmen, sind keine leitenden Angestellten nach Nr. 2,
vgl. BAG v. 11.1.1995 NZA 1995, 747
§ 5 Abs. 3 Nr. 3: Sonstige Aufgaben frei von Weisungen
§ 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG umschreibt – wie der Ausdruck „sonstige Aufgaben“ verdeutlicht – als Auffangtatbestand den Grundtatbestand zur Definition des/ der Leitenden Angestellten. Leitende Angestellte müssen nach der Art ihrer Tätigkeit und der Bedeutung ihrer Funktion der Unternehmensleitung nahestehen.
vgl. BAG v. 29. Januar 1980 – 1 ABR 45/79
Leitende Angestellte müssen Aufgaben wahrnehmen, die für Bestand und Entwicklung eines Unternehmens oder Betriebs von Bedeutung sind. Es kommen wirtschaftliche, personelle, organisatorische, kaufmännische oder technische Aufgaben in Betracht. Sie müssen aber immer einen beachtlichen Teilbereich der unternehmerischen Gesamtaufgaben ausmachen. Die Aufgaben müssen mit den in Nr. 1 und 2 genannten gleichwertig sein, ohne dass deshalb Nr. 3 zu einem offenen Tatbestand wird.
vgl. ErfK/Koch, § 5 BetrVG Rn. 21
Der/ die leitende Angestellte darf die Aufgaben nicht nur zu einem geringen Bruchteil seiner Tätigkeit ausüben, sondern die Wahrnehmung der Aufgaben i.S.v. Nr. 3 muss den Schwerpunkt der Tätigkeit bilden; sie muss der Tätigkeit das Gepräge geben.
vgl. BAG v. 25. Oktober 1989 – 7 ABR 60/88
Es reicht daher nicht, dass die/ der Leitende Angestellte die Aufgaben nur gelegentlich oder vorübergehend – etwa vertretungsweise – wahrnimmt. Dies muss regelmäßig geschehen.
vgl. BAG v. 23. Januar 1986 – 6 ABR 22/82
Wesentliches Merkmal des/der Leitenden Angestellten ist, dass die Entscheidungen im Wesentlichen weisungsfrei getroffen werden oder sie maßgeblich beeinflusst wurden.
vgl. BAG v. 23. Januar 1986 – 6 ABR 51/81
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die eigentlichen Entscheidungsträger*innen an den durch Tatsachen und Argumenten vorbereiteten Vorschlägen nicht vorbeikönnen.
vgl. BAG v. 25. März 2009 – 7 ABR 2/08
Es kommt also darauf an, ob sich die Tätigkeit des/der Angestellten darin erschöpft, vorgegebene Ziele zu erarbeiten, oder ob sie Raum für eine eigene unternehmerische Initiative lässt.
vgl. BAG v. 23. Januar 1986 – 6 ABR 22/82
Die Übertragung einer bedeutenden Sachverantwortung ohne nennenswerte Entscheidungskompetenz oder die bloße Vorgesetztenfunktion gegenüber einer größeren Zahl von Arbeitnehmenden genügen nicht.
vgl. BAG v. 23.1.1986 NZA 1986, 484
Bei einem kooperativen Führungsstil im Rahmen dezentralisierter Organisation dürfen die Leitungsaufgaben nicht so aufgeteilt (atomisiert) sein, dass sie für das Erreichen der Unternehmensziele für sich genommen nicht mehr von Bedeutung sind.
Hier ist nur diejenige Person leitend, die organisatorisch diese schmalen Teilbereiche in einer übergeordneten Einheit unterstellt ist.
vgl. BAG v. 5.3.1974 NJW 1974, 965
Auch der/die Stabsangestellte kann leitend sein, wenn nur die unternehmerische Entscheidung „maßgeblich beeinflusst“ wurde. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die eigentlichen Entscheidungstragenden an den durch Tatsachen und Argumenten vorbereiteten Vorschlägen nicht vorbeikönnen.
vgl. BAG v. 25.3.2009 NZA 2009, 1296
Über die Zweifelsregelung des § 5 Abs. 4 BetrVG berichten wir in der nächsten Ausgabe des Leadership Insights – Sprecherausschuss!
Nils Schmidt