Streik – ja oder nein?

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In Deutschland wird gestreikt! Seit Beginn des Jahres streikte das Bodenpersonal der Lufthansa, die Lockführer*innen der Deutschen Bahn und die Busfahrer*innen im Öffentlichen Nahverkehr.

Eine Streikwelle im Verkehrssektor, die es in diesem Umfang bisher nicht gab.

Unter Streik wird im Arbeitsrecht die gemeinsame Verweigerung der Erfüllung des Arbeitsvertrages durch mehrere Arbeitnehmende verstanden, um die bestreikten Arbeitgeber*innen oder einen Arbeitgeberverband zu Zugeständnissen zu bewegen.  

An härtesten betroffen von den Arbeitsniederlegungen, gerade im Mobilsektor, der auch zur kritischen Infrastruktur gehört, ist aber die Bevölkerung, vergleicht man die Personen, die von einem Streik profitieren mit der Anzahl an Personen, die eklatante Einbußen hinnehmen müssen. Pendler, Reisende, Eltern, Urlauberinnen und Urlauber, Sport- und Musikfans und alle anderen, die auf Bahn, Bus oder Flugzeug angewiesen sind, mussten sich in den vergangenen Monaten teilweise sehr schnell umorganisieren.

Einige Menschen haben Verständnis für die Forderungen der streikenden Arbeitnehmenden, andere sind genervt und zeigen kein Verständnis mehr.

Nach immer lauteren Forderungen, das Streikrecht (insbesondere für die Branchen der kritischen Infrastruktur) einzuschränken. Aber ist das überhaupt möglich?

Es stellt sich daher zunächst die Frage, wann ein Streik legitim ist.

Die Streikerlaubnis ist in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) fest verankert. Sie leitet sich von der Koalitionsfreiheit ab. Demnach dürfen Arbeitnehmende und Arbeitgebende bzw. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sich frei zusammenschließen und sich über Arbeitsbedingungen (z.B. tarifliche) zu einigen.

Jeder Streik muss von einer Gewerkschaft getragen und einen positiven Beitrag zur gewerkschaftlichen Tarifpolitik leisten. Der Streik muss das letzte Mittel sein und auch verhältnismäßig sein. Das bedeutet, dass nicht „wild“ gestreikt werden darf.

Das Streikrecht ist also an Voraussetzungen geknüpft.

Trotz dessen gehen die Meinungen darüber auseinander, ob das Streikrecht verschärft werden soll.

Der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) fordert mehr Schlichtungsregeln. Das Streikrecht müsse eingehegt werden. Mehr Abkühlungsphasen in Arbeitskämpfen seien sinnvoller, so der BDA.  

In der Politik wurde aus manchen Reihen empfohlen, dass Streiks in den kritischen Infrastrukturen wie bei der Bahn, an Flughäfen oder in der Energieversorgung nur dann stattfinden sollten, nachdem es eine Schlichtung zwischen Arbeitgebenden und Gewerkschaften gab. Eine Art Zwangsschlichtung.

Gegen eine Verschärfung des Streikrechts sprechen sich selbstverständlich die Gewerkschaften aus. Sie verweisen auf die geltenden Regeln und sehen die Gefahr bei Verschärfungen darin, dass es sonst zu einer „kollektive Bettelei am Verhandlungstisch“ werden kann.

Die Arbeitsgerichte haben in der Frage, wann ein Streik angemessen ist, einen großen Entscheidungsspielraum. So wurden bislang Arbeitskämpfe eher selten richterlich verboten.

Ganz aktuell wollte der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbands der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e.V. (AG MOVE) den Arbeitskampf der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) per Eilantrag vom Arbeitsgericht Frankfurt am Main untersagen lassen. Mit diesem Antrag scheitere der AG MOVE jedoch. Den Beschluss können Sie HIER (bitte Link einsetzen: https://arbeitsgerichtsbarkeit.hessen.de/presse/arbeitskampfmassnahmen-der-gewerkschaft-deutscher-lokomotivfuehrer ) (Beschluss vom 11.03.2024, Az.: 12 Ga 37/24).

Trotz der massiven Behinderungen bei der Fortbewegung der Bevölkerung durch die Streiks und immensen Kosten für die deutsche Wirtschaft ist es aktuell sehr unwahrscheinlich, dass das Streikrecht verschärft wird.

Möglich wäre eine Regulierung für Streiks in lebenswichtigen Betrieben. Eine Zwangsschlichtung wohl eher nicht.

Grundsätzlich ist das Streikrecht eine wichtige Errungenschaft in Deutschland, die ein Gleichgewicht der Macht zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden geschaffen hat und immer wieder schafft, indem es den Arbeitnehmenden ermöglicht, kollektiv für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne einzutreten. Historisch gesehen haben Streiks oft zu Verbesserungen der Arbeitsbedingungen geführt.

Es muss jedoch auch die Verhältnismäßigkeit, wie es in Art. 9 Absatz 2 GG vorgesehen ist, stets gewahrt werden!

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