Unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch das Finanzamt

Was ist ein Flankenschutzprüfer? Ist eine Wohnungsbesichtigung verhältnismäßig? Was ist eine Home-Office-Pauschale in Abgrenzung zum häuslichen Arbeitszimmer?

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Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Krekels

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in einer kürzlichen Entscheidung vom 12.07.2022 (Aktenzeichen: VIII R 8/19) entschieden, dass eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen Beamten der Steuerfahndung als sog. Flankenschutzprüfer zur Überprüfung der Angaben der Steuerpflichtigen zu einem häuslichen Arbeitszimmer rechtswidrig ist, wenn die Steuerpflichtige bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt.

Dem Verfahren lag der nachfolgende Sachverhalt zu Grunde:

Eine selbständige Unternehmensberaterin machte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2015 erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 567,12 € geltend. Auf Nachfrage des Finanzamts (FA) reichte sie eine Skizze der Wohnung ein, die der Sachbearbeiter des FA aber für klärungsbedürftig hielt. In dem Grundriss waren zwei Zimmer nicht eingezeichnet, welche aber tatsächlich vorhanden waren. Zudem wurde der ursprünglich als Schlafzimmer vorgesehene Raum nachträglich händisch als Arbeitszimmer beschriftet. Dies veranlasste die Veranlagungsstelle einen Flankenschutzprüfer zu bitten, die Besichtigung der Wohnung durchzuführen. Dieser erschien unangekündigt an der Wohnungstür der Steuerpflichtigen, wies sich als Steuerfahnder aus und betrat unter Hinweis auf die Überprüfung im Besteuerungsverfahren die Wohnung. Die Steuerpflichtige hat der Besichtigung nicht widersprochen. Gegen die Durchführung der Besichtigung erhob die Steuerpflichtige Einspruch, der vom Finanzamt als unzulässig verworfen wurde. Die so dann erhobene Feststellungsklage wurde vom Finanzgericht Münster mangels Vorliegens eines Feststellungsinteresses als unzulässig verworfen.

Michael Krekels
DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte
Vorstandsvorsitzender
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Unter einem sogenannten Flankenschutzprüfer versteht man einen Beamten der Steuerfahndung, der zur Überprüfung von Angaben der Steuerpflichtigen ohne Vorankündigung an der Wohnungs- / Haustür klingelt und um Einlass bittet. In der Praxis passiert dies wohl häufiger bei Zweifeln des Veranlagungsbeamten an den Angaben über die fast ausschließliche Nutzung eines bestimmten Raumes in der Wohnung als Arbeitszimmer. 

Der Bundesfinanzhof urteilte, dass die Besichtigung rechtswidrig war. Zur Überprüfung der Angaben zum häuslichen Arbeitszimmers im Besteuerungsverfahren ist angesichts des in Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verbürgten Schutzes der Unverletzlichkeit der Wohnung  eine Besichtigung in der Wohnung eines mitwirkungsbereiten  Steuerpflichtigen erst dann erforderlich, wenn die Unklarheiten durch weitere Auskünfte oder andere Beweismittel (z.B. Fotografien) nicht mehr sachgerecht aufgeklärt werden können. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige –so wie im Streitfall– der Besichtigung zugestimmt hat und deshalb ein schwerer Grundrechtseingriff  nicht vorliegt.

Wie der Bundesfinanzhof weiter ausführte, war die Ermittlungsmaßnahme auch deshalb rechtswidrig, weil sie von einem Steuerfahnder und nicht von einem Mitarbeiter der Veranlagungsstelle durchgeführt wurde. Denn das persönliche Ansehen des Steuerpflichtigen kann dadurch gefährdet werden, dass zufällig anwesende Dritte (z.B. Besucher oder Nachbarn) glauben, dass beim Steuerpflichtigen strafrechtlich ermittelt wird.

Die hohe Praxisrelevanz der Entscheidung zeigt sich daran, dass wohl nach diesen Entscheidungsgründen in einer Vielzahl der Fälle eine fehlende Erforderlichkeit gegeben ist. Das Finanzamt muss erst andere Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts ausschöpfen. Hinzu kommt dann auch noch die Unverhältnismäßigkeit der Durchführung durch Beamte der Steuerfahndung und dann noch ohne Ankündigung.

Damit zeigt diese Entscheidung des Bundesfinanzhofs der bisherigen Praxis von unangekündigten Wohnungsbesichtigungen durch Flankenschutzprüfer klare Grenzen auf.

Die vorliegende Entscheidung des Bundesfinanzhofs beschäftigte sich mit dem Veranlagungsjahr 2015. Mittlerweile haben seit 2020 Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit, statt einem pauschalen Abzugsbetrag für ein häusliches Arbeitszimmer eine Pauschale für die Arbeit im Homeoffice geltend zu machen. Diese Pauschalbeträge lagen 2020 bei 600 € und wurden zuletzt ab dem Veranlagungsjahr 2023 auf 1260 € angepasst. Damit konnten pro Tag des Homeoffices 5 € oder 6 € (ab 2023) geltend gemacht werden. In den Veranlagungsjahren 2020 bis 2022 mithin für 120 Tage und ab 2023 für 210 Tage.

Arbeitnehmer werden daher zukünftig überlegen müssen, ob sie von der streitanfälligen Geltendmachung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zugunsten der Homeoffice-Pauschale Abstand nehmen wollen. Im Zweifel schadet es nicht in dieser Angelegenheit auch noch einmal einen Steuerberater nach seinen Erfahrungen zu fragen.

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