Variable Vergütung
von Diana Nier, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
In unserer Beratungspraxis sind Auseinandersetzungen zur variablen Vergütung sehr häufig anzutreffen. Unsere Mitglieder sehen sich dabei u. a. mit fehlenden Zielvereinbarungen, der Festlegung von erkennbar nicht erreichbaren Zielen oder einer Ermessensentscheidung des Arbeitgebers über das Ob und Wie der variablen Vergütung konfrontiert.
Doch auch bei Vorliegen konkreter Zielvereinbarungen bestehen bei den Vertragsparteien oft Unsicherheiten, etwa im Fall einer längeren Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers.
Die Rechtsprechung zur variablen Vergütung wird daher immer umfangreicher. Gemäß § 4a Entgeltfort-zahlungsgesetz (EFZG) ist eine Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien über Kürzungen von Sondervergütungen für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zulässig. In der Praxis sind tatsächlich immer öfter in Arbeitsverträgen entsprechende Bonuskürzungsregeln bei längerer Arbeitsunfähigkeit vorzufinden.
Kürzung bei arbeitsleistungsbezogenen
Sonderzahlungen Doch auch ohne entsprechende Kürzungsvereinbarung kann bei sog. „arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlungen‘ eine nur anteilige Berücksichtigung erfolgen, siehe BAG, Urteil v. 21.03.2001 – 10 AZR 28/00. Als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlungen gelten Zahlungen, die von einem bestimmten Betriebsergebnis oder dem Erreichen qualitativer und quantitativer Ziele abhängen, so, BAG, Urteil v. 13.05.2015 – 10 AZR 266/14.
Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bedeutet dies, dass ohne tatsächliche Arbeitsleistung nur dann arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlungen fortzuzahlen sind, wenn die Entgeltfortzahlung auf Grund gesetzlicher, tariflicher oder sonstiger Regelungen zu leisten ist. Damit entfällt nach dem Ende des Anspruchs auf Entgelt-fortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gemäß § 3 Abs. 1 EFZG auch ein dementsprechender Anspruch.
Aktuelle Entscheidung:
LAG Hamm vom 30.07.2020, AZ: 18 Sa 1936/19
Seit 2011 war die Klägerin für die Beklagte im Außendienst tätig. Gemäß Arbeitsvertrag erhält sie zusätzlich zu ihrem Fixgehalt auch einen monatlichen Anteil auf die variable Vergütung bei 100 % Zielerreichung. Dieser wird nachträglich quartalsweise abgerechnet und eine Vorauszahlung darauf geleistet. Die Details zur variablen Vergütung (Bonus) wurden in jährlichen Zusatzvereinbarungen jeweils festgelegt. Mit Zusatzvereinbarung vom 09.02.2018, welche für den Zeitraum 01.01.-31.12.2018 befristet war, legten die Parteien die Ziele und Zielerreichung für den Bonus im Geschäftsjahr 2018 fest. Danach sollte zum einen bei der Klägerin der Umsatz des eigenen Gebietes (nachfolgend kurz: UEG) sowie zum anderen der Gesamtumsatz in Deutschland (nachfolgend kurz: UDG) berücksichtigt werden. Für die einzelnen Bereiche wiederum wurde eine jeweilige Gewichtung UEG (80 %) und UDG (20 %) festgelegt.
In der Zeit vom 23.07.2018 bis Mai 2020 war die Klägerin durchgängig arbeitsunfähig. Mit Ablauf der Ent-geltfortzahlung bezog die Klägerin ab dem 03.09.2018 Krankengeld. In 2018 hat die Klägerin in ihrem Gebiet (UEG) insgesamt in allen Quartalen einen deutlich höheren Nettoumsatz erzielt als vereinbart. Schon im August 2018 lag der Nettoumsatz der Klägerin über den Vorgaben der Zusatzvereinbarung. Dennoch zahlt die Beklagte nur einen anteiligen Bonus für drei Quartale aus, so dass die Klägerin weitere Bonuszahlungen einklagte.
Folgerichtig hat das LAG Hamm die in den getroffenen Zusatzvereinbarungen ausgewiesenen Ziele und Ergebnisse des UGE und UGD als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlungen eingestuft. Die Besonderheit dieses Falles lag jedoch darin, dass die Klägerin bereits vor ihrer Arbeitsunfähigkeit die Zielvorgaben ihres UEG-Bereichs erfüllt, sogar übererfüllt hat. Zudem sah die Zusatzvereinbarung vom 09.02.2018 ausdrücklich vor, dass die variablen Gehaltsanteile dazu dienen, die Vertriebsmitarbeiter zu einer bestmöglichen Akquise-Tätigkeit und engen, effizienten und reibungslosen Zusammenarbeit, auch durch den Vertreter im Abwesenheitsfall, zu motivieren.
Da der Arbeitgeber in der Zusatzvereinbarung lediglich den „Abwesenheitsfall“ aufführt, ohne explizit Beispiele oder Ausnahmen zu regeln, kann dies bei objektiver Betrachtungsweise und anhand des Wortlauts nur dahingehend ausgelegt werden, dass der Arbeitgeber jeden Abwesenheitsfall ausnahmslos gemeint hat. Demzufolge ist ein Abwesenheitsfall auch die (langandauernde) Arbeitsunfähigkeit.
In der Praxis sind immer öfter in Arbeitsverträgen entsprechende Bonuskürzungsregeln bei längerer Arbeitsunfähigkeit vorzufinden
Nach diesseitiger Auffassung hat der Arbeitgeber in der Zusatzvereinbarung deutlich zum Ausdruck gebracht, dass selbst im Vertretungsfall die Zielerreichung für eigene Vertriebsgebiete auch durch einen Vertriebskollegen möglich und zu berücksichtigen sind. Gerade deshalb wird in der Zusatzvereinbarung eine intensive Kollaboration untereinander angeregt und herausgestellt, die auch durch die Bonusregelung belohnt wird.
Keine nachträgliche Kürzung bei bereits erfolgter Zielerreichung
Schließlich wäre eine Wertung dahingehend, dass, selbst wenn die Ziele vor der Erkrankung erreicht worden sind, diese dann trotzdem gekürzt werden können, weder angemessen noch tatsächlich begründbar. So hängt doch die Sonderzahlung gerade von der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ab. Gelingt es dem Arbeitnehmer, die entsprechende Arbeitsleistung sogar vorzeitig zu erbringen und den Bonusanspruch damit zu bewirken, kann dieser nicht – rückwirkend – aufgrund späterer Arbeitsunfähigkeit wieder entzogen werden.
Wie das LAG Hamm zutreffend ausführt, würde sich ansonsten eine Schlechterstellung für die Arbeitnehmer ergeben, die vorzeitig ihre Ziele erreichen, dann jedoch ausfallen, gegenüber denjenigen, die ihre Ziele nicht oder nur knapp ohne Ausfallzeiten erreichen. Zudem hätte der Arbeitgeber andernfalls andere, kleinere Zeitabschnitte und/oder konkrete Regelungen bei Arbeitsunfähigkeit festlegen müssen.
Das LAG Hamm gab der Klägerin bei ihrem Nachzahlungsanspruch statt. Die Revision zum BAG wurde teilweise zugelassen.
Fazit: Die Fragen rund um den Bonusanspruch sind äußerst vielfältig und komplex. Wie die Rechtsprechung zeigt, kommt es vor allem auf die konkreten Regelungen sowie den einzelfallbezogenen Sachverhalt an.
Lassen Sie sich daher von den erfahrenen DFKJuristen/Juristinnen hierzu beraten!