Haben Risikogruppen ein Recht auf Homeoffice?

Die Pandemie am Arbeitsplatz

von Sebastian Müller, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Sebastian Müller

Wegen der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen ihre Mitarbeiter seit März aus Sicherheitsgründen ins Homeoffice geschickt. Viele haben inzwischen aber auch ihre Mitarbeiter wieder zurückgeholt. Die Fragen, die unsere DFK-Mitglieder hierzu haben, sind vielfältig. Die häufigste lautete: Muss ich zurück – auch wenn ich zu einer Risikogruppe gehöre?

Die Pandemie ist längst nicht vorüber und darum gelten nach wie vor die Corona-Schutzmaßnahmen. Arbeitgeber können sie für ihren Betrieb nicht einfach außer Kraft setzten, so weit so klar. Wann die Gefahrenlage in Deutschland beendet ist, das werden die Zahlen des Robert-Koch-Instituts entscheiden. Und solange das Virus noch da ist, müssen Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass das Ansteckungsrisiko auch für Arbeitnehmer im Betrieb so weit wie möglich reduziert wird, Schutzkonzepte erstellen und anwenden.

Fest steht: Die persönliche Angst vor einer möglichen Ansteckung am Arbeitsplatz allein genügt nicht, um darauf zu bestehen, weiter vom Homeoffice aus zu arbeiten. Aber in der Tat ist der Einzelfall entscheidend, denn wenn der Mitarbeiter einer Risikogruppe angehört, ist das anders: In solchen Ausnahmefällen kann durchaus ein Anspruch auf Homeoffice bestehen. Wenn das Schutzkonzept in diesem Fall keinen ausreichenden Schutz gewährleistet, dann sollte man dem Arbeitgeber dies deutlich machen und auf Homeoffice bestehen.

Allen Arbeitgebern ist nur anzuraten, in ihrem eigenen Interesse, besonders schutzbedürftige Arbeitnehmer von zu Hause arbeiten zu lassen. Dazu zählen ältere Mitarbeiter und Menschen mit chronischen Erkrankungen, einschließlich Bluthochdruck, Lungen- oder Herzproblemen und Diabetes. Auch Kollegen, die sich einer Krebsbehandlung oder einer anderen Immunsuppression unterziehen, und schwangere Mitarbeiterinnen sollten möglichst von zu Hause arbeiten. Auch Kollegen, deren nahe Familienmitglieder zur Risikogruppe zählen, sollten Arbeitgeber ebenfalls Homeoffice ermöglichen. In dem ständig aktualisierten Dokument „SARS-CoV-2-Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“ des RKI werden die Personengruppen genannt. Eine generelle Festlegung zur Einstufung in eine Risikogruppe ist aber laut RKI nicht möglich. Vielmehr erfordere dies eine personenbezogene Risikoinschätzung. Letztlich liegt es damit in der Entscheidung des behandelnden Arztes, ob eine Person ein Risikopatient ist oder nicht.

Für Risikogruppen gilt aber: Nur, wenn ein Arbeitgeber ein strenges Schutzkonzept eben für diese Risikogruppen erstellt hat, also zum Beispiel Einzelzimmer statt Großraumbüro oder möglichst wenig Kundenkontakt, Maskenpflicht im Aufzug und so weiter, dann dürfte auch für Risikogruppen eine Pflicht zur Rückkehr ins Büro bestehen. Auch nur dann. Die Erfahrung zeigt: Die allermeisten Arbeitgeber handeln verantwortungsbewusst und gehen – sowohl für den Arbeitnehmer als auch für sich – kein Risiko ein und lassen Risikogruppen, wo es eben geht, von zu Hause aus arbeiten. Immerhin muss das Unternehmen damit rechnen, dass bei einer Erkrankung eines gefährdeten Arbeitnehmers sein (nicht funktionierendes) Konzept Grundlage von Ermittlungen bis hin zu Sanktionen wird.

Sollte es Unklarheiten geben oder Ihr Arbeitgeber nicht wissen, dass Sie zu einer Risikogruppe gehören, sprechen Sie ihn an. Sie müssen dem Arbeitgeber nicht sagen, an was Sie leiden oder nähere Informationen mitteilen – allein das erhöhte Risiko ist entscheidend. Das kann Ihnen bei Bedarf auch ein Arzt bescheinigen, ohne nähere Angaben zu machen.

Mittlerweile sind zudem viele Betriebsvereinbarungen zu dem Thema geschlossen worden – aufgrund derer nun ein Anspruch auf das Arbeiten von zu Hause bestehen kann. Ist dort zum Beispiel geregelt, dass man drei Tage im Homeoffice arbeiten darf, dann kann der Arbeitgeber keine vollständige Rückkehr ins Büro erzwingen. Denn bei einer entsprechenden Vereinbarung hat man ja ein Recht auf Homeoffice.

Besteht aber keine entsprechende Betriebsvereinbarung oder findet sich im Arbeitsvertrag dazu keine Regelung, dann ist es umso wichtiger, auf die Einhaltung der Schutzmaßnahmen zu achten. Corona hat die Arbeitswelt verändert. Doch auch wenn über längere Zeit Homeoffice statt Büro angesagt war, resultiert daraus noch keine betriebliche Übung, auf die sich Mitarbeitende nun berufen könnten.

Die Arbeitgeber haben hierauf in allen dem DFK bekannten Fällen verantwortungsvoll reagiert und – auch weil sich erwiesen hat, dass Homeoffice nicht weniger produktiv ist – haben Homeoffice weiterhin gewährt. Sollte dies bei Ihnen nicht der Fall sein oder Sie weitere Fragen haben, sprechen Sie die Jurist*innen des DFK gerne an.

Neuer Arbeitsschutzstandard während der Pandemie
Zum Schutz der Beschäftigten vor dem Coronavirus ist der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandard anzuwenden, welcher durch eine Arbeitsschutzregel im August 2020 konkretisiert wurde.
Letztere beschreibt Maßnahmen des Arbeitsschutzes gemäß § 4 Nr. 3 ArbSchG, die der Arbeitgeber während der Covid-19-Pandemie berücksichtigen muss. Enthalten sind insoweit technische, organisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen, wie zum Beispiel Regeln zu Abstand, Lüftung, Abtrennungen, der Anpassung von Verkehrswegen im Betrieb und dem Tragen von MundNase-Bedeckungen. Die Arbeitsschutzregel wurde – wie schon der Arbeitsschutzstandard – nicht in Form einer Rechtsverordnung entlassen. Als Konkretisierung der arbeitsschutzrechtlichen Standards kommt ihr aber faktisch eine verbindliche Wirkung zu.

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